Springen zum Eintrag vom Okt 06, Mai-Juli 06

 

17. Dez Ein Schwangerschaftstest und ein Besuch beim Gyn haben gezeigt, daß ein Kind unterwegs ist. Das 1 Jahr, das wir uns für die "letzte Chance" für Nachwuchs gegeben haben, ist fast vorbei. Wir beschließen, diese Info noch nicht weit zu verbreiten, sondern erst etwas später, wenn die Schwangerschaft stabiler und eine weitere Fehlgeburt im frühem Stadium ausgeschlossen ist (sonst wäre es die vierte).
18. Dez. Silberne Hochzeit von Bernard und Anette Hardick in Venlo (gleichzeitig Eröffnung des „Haus des Gebets“). Am Abend berichten wir den beiden von der Schwangerschaft und bitten auch um begleitendes Gebet. Beide rufen unabhängig voneinander "Leben" für Regina und das Kind aus.
20. Dez. Am Abend erwarten wir Nachbarn zu unserem alljährlichen Adventsabend. Beim Duschen davor ertastet Regina einen recht großen Tumor in der Brust – groß zumindest angesichts der Tatsache, daß bei der gyn. Untersuchung am Freitag davor gar nichts getastet wurde.
21. Dez. Regina ging zum Gyn. Dr. Danis, den der Tastbefund ebenfalls beunruhigte und Regina zu einem Röntgeninstitut nach Krefeld schickte. Mit dem Ergebnis veranlaßte Dr. Danis eine Krankenhauseinweisung für den Mittwoch.
22. Dez. 800 h in den Kliniken Krefeld – 2 ½ Stunden warten auf den Oberarzt. Dieser erklärte uns als erstes, daß bei einer so frühen Schwangerschaft keine Operation stattfinden würde und wir doch in der 16. Woche wiederkommen sollten, wenn die Organanlage des Kindchens abgeschlossen ist. Auf mein Nachfragen, ob man denn nicht wenigstens Gewebeproben nehmen könnte, um den Tumor einschätzen zu können, holte er Prof. Baltzer dazu. Dieser riet sofort zu einer Stanz-Biopsie, die dann auch gemacht wurde. Regina konnte danach noch mit nach Hause, war als stationär aufgenommene lediglich beurlaubt. So konnte abends bei Hauskreis gezielt gebetet werden. Überhaupt beteten wir und unsere Freunde stark und gezielt gegen den Krebs.
23. Dez.  Während sich Regina kurz im Krankenhaus zurückmelden sollte, fuhr ich zum Abteilungs-Frühstück nach Kerpen. Kaum dort angekommen, rief Regina schon weinend an, daß sie das Ergebnis der Biopsie schon hätte: Bösartiger Krebs der Stufe 2. Damit verließ ich das Frühstück und fuhr zurück nach Krefeld und holte Regina nach Hause ab. Die Entfernung des Tumors und der benachbarten Lymphknoten war für den 28.12. angesetzt. Bald schon kamen Irene und Stefan für erste Weihnachtsvorbereitungen zu uns. Wir beschlossen, die Weihnachtstage wie geplant zu gestalten und wirklich Jesu Geburt zu feiern. Wenn es uns etwas bedeutet, daß Jesus real auf die Welt kam, dann doch gerade das, daß er uns praktisch und spürbar in einer solchen Situation Stärke, Hilfe und Beschützer ist. Im Rückblick können wir sagen, daß dieses Weihnachtsfest eine größere Tiefe für uns besaß, als andere vorher.
27. Dez. An diesem Tag holte Hartmut Ulrich Simon und Pia früh zu sich nach Erkrath ab. Regina und ich fuhren nach Krefeld zu letzten Untersuchungen und Aufklärungsgesprächen. Da wir das alles schon um 14:00h hinter uns hatten, fuhren wir dann noch zu Ulrichs zum Kaffeetrinken, später wieder nach Kempen und machten uns einen schönen gemeinsamen Abend. Zwischendurch telefonierten wir mit Bernard (Venlo) und Alexandra Depuhl. Wir wußten, daß diese Tage, diese Operation und Situation von einer Gebetstruppe in Venlo, vom FFF, Betern aus der FeG Krefeld und aus der Gemeinde Aufatmen getragen wird!
28. Dez. Um 7:00h waren wir auf Station, es dauerte jedoch bis 10:30h, bis die Operation startete. Zwischendurch bekam Regina noch Schlaf/-Beruhigungstabletten, damit sie nicht durch Angst, Streß oder Panik das Kindchen schädigt. Die Operation verlief problemlos und relativ zügig (kürzer als geplant). Der Tumor wurde entnommen, dazu eine Reihe von Lymphknoten (bei möglichst gutem Erhalt der Nerven) und Stichkanäle ausgehend von der Tumorhöhle, um im nachhinein den "Sicherheitsabstand" vom Tumor bewerten zu können. Um 13:00h kam sie ins Aufwachzimmer, um 15:00h konnte ich mit ihr normal sprechen und eine Stunde später „war ihr langweilig“! Leider mußte sie aus organisatorischen Gründen noch bis zum nächsten Morgen im Aufwachzimmer bleiben. Der Operationsschnitt war kleiner als geplant, damit aber auch die OP kürzer (1 ¼ statt 2 ½ h), damit auch weniger Narkotikum nötig (auch fürs Kind!). Das war die erste große Gebetserhörung. Natürlich stellten sich die angekündigten Begleiterscheinungen wie Taubheit im Achselbereich bzw. erhöhte Sensibilität und Lymphansammlung in Nahtnähe ein. Die nächsten Tage, in denen Martin teilweise arbeiten ging, waren davon geprägt, daß einfach die Wunde heilen mußte. Die Kinder konnten bis Silvester bei Christina in Issum sein. Dort feierten wir auch alle zusammen Silvester. 
Die Kinder vertragen die Situation erstaunlich entspannt und locker, obwohl wir praktisch nichts vor ihnen verheimlichen..
3.1.05 (Montag) Regina kommt wieder ins Krankenhaus, die Kinder besuchen Moni und Chrisi und Martin fährt zur Arbeit. Der Ultraschall zeigt: das Kind lebt noch. In den nächsten Tagen stehen Lymphdrainagen und Krankengymnastiktermine auf dem Plan, um den Arm wieder besser in Gang zu bekommen. Es ist wie angekündigt: Lymphflüssigkeit sammelt sich, ohne abfließen zu können, das Gebiet um die Operationsnarbe ist taub und der Arm ist schlecht zu bewegen.
5.1. Heute fand das Gespräch mit Prof. Baltzer über das weitere Vorgehen statt. Mit diesem Professor hatten wir mit einem der renommiertesten Experten auf dem Gebiet "Schwangerschaft und Krebs" in Deutschland zu tun! Er ist außerdem dafür bekannt, daß er sich sehr persönlich für das Beste seiner Patientinnen engagiert.

Er gab uns das Ergebnis der Gewebeuntersuchung bekannt:
Mammakarzinom mit grading 3, Größe 3,5 x, 2,5 x 1,5 cm, 
von 19 entnommenen Lymphknoten waren 2 befallen. Der Krebs ist nicht hormonell beeinflußbar.

Für ihn gab es nur eine Empfehlung: Beenden der Schwangerschaft und Chemotherapie / Bestrahlung. Damit konnten und wollten wir nicht leben.
Dieses Gespräch hat uns, obwohl wir es kommen sahen, stark heruntergezogen.

6.1.  Umso aufbauender war der Donnerstag: Morgens Besuch bei Dr. Danis. Dem Kindchen geht es nach wie vor gut. Für Dr. Danis war der Weg, bei bestehender junger Schwangerschaft eine Chemotherapie durchzuführen, durchaus gangbar - auch wenn eine Therapie in dieser Kombination zu einem solchen Zeitpunkt noch nie durchgeführt worden ist. 
Abends waren wir bei Dr. Rogmans, dessen Rat wir als versierten Facharzt (vorher jahrelang bei Prof. Baltzer) und als lebendigen Christen mit Verständnis für unsere Entscheidung hören wollten. Auch er sah eine Chemotherapie (FEC) bei dieser jungen Schwangerschaft als machbar, zumal die Organogenese nicht erst nach der 16. Woche, sondern bereits nach dem 56. Tag nach der Empfängnis (entspricht der "10. Woche") abgeschlossen sein sollte. Mit einem Pufferzeitraum würde eine Chemotherapie Ende Januar beginnen können, was man sowieso aufgrund der Heilung der Operationswunde und dem Aufbau der Abwehrkräfte nicht früher begonnen hätte. Er empfahl auch ein Nahrungsergänzungsmittel, das die Immunabwehr stärken sollte, um dann in der Chemotherapie gewappnet zu sein. Wie sich herausstellt, wirkt das Mittel wirklich positiv auf die Fitness und Immunabwehr. Das Zeug ist jedoch unverschämt teuer. 
10.1. Bernard und Anette aus Venlo besuchen uns und teilen uns prophetische Eindrücke zu der Schwangerschaft mit. Ein sehr ermutigender Abend.
Überhaupt ist die Bereitschaft zur praktischen und Gebets-Unterstützung aus unserem Umfeld sehr hoch. Zu diesem Zeitpunkt wurde praktische Unterstützung jedoch nicht gebraucht.
Wir besuchen eine Woche lang die Informationsnachmittage der Klinik rund um das Thema Krebs. Regina war mit Abstand die jüngste Teilnehmerin. Besuche in Perückenstudios waren frustrierend, denn nichts sah annähernd passabel aus - ich werde auf Haarausfall mit Tüchern reagieren.
12.1. Wir teilen Prof. Baltzer unsere Entscheidung mit, daß wir die Schwangerschaft weiter austragen und eine Chemotherapie angehen wollen. Die Frage, ob er bereit ist, diesen Weg (entgegen seiner Empfehlung) mit uns zu gehen, bejahte er. Damit sah der weitere Weg so aus:

6 x Chemotherapie ab Ende Januar mit Abstand von 4 Wochen, dazwischen oder danach Bestrahlung des vorigen Tumorgebietes. Hierzu soll das Baby voraussichtlich verfrüht durch Kaiserschnitt entbunden werden, damit es möglichst nichts von der Bestrahlung abbekommt - die wäre offenbar definitiv schädigend für das Kind.

24.1. (Montag) Die erste Chemotherapiegabe. Beate begleitete mich. Auch der Apotheker, der die Chemotherapeutika mixt, ist lebendiger Christ und kam zu mir, da er meinen Namen vom FFF kannte. Neben mir bekam auch eine beeindruckende alte Schwester aus dem Altenheim in Mülhausen ihre "Chemo". 
In den nächsten Tagen bin ich besonders oft müde und träge. Ansonsten vertrage ich die Chemo jedoch gut. Der schlimmste Tag ist der Mittwoch danach, aber der Besuch bei Dr. Danis zeigte einmal wieder: dem Kind gehts gut.
14.2. Da ich relativ schlechte Venen habe und bei zunehmender Chemotherapiegabe die Gefahr wächst, daß Venen platzen, habe ich mich einverstanden erklärt, daß mir ein sogenannter Port gelegt wird. Dazu wird ein Zuführungsschlauch unterhalb des Schlüsselbeins unter die Haut eingepflanzt, der für alle Flüssigkeitsgaben benutzt werden kann. In den ersten Tagen schmerzt dieses Gerät doch recht stark. 
Drei Wochen nach der ersten Chemo ist der erste Haarausfall spürbar. Es tut weh, nach dem Bürsten soviel Haare in der Bürste zu haben. Ich gönne mir einen Friseurbesuch, um die langen Haare zu kürzen, damit nicht soviel "Gewicht" an den Haarwurzeln hängt. 
Die Kindergeburtstage am 18.2. und 11.2. verliefen ohne Probleme.
21.2. Tag der 2. Chemotherapie. Morgens fuhr ich mit dem Fahrrad zur Schule, um Pia auch das Horn (Musikinstrument) mit in die Schule zu bringen. Bei einer etwas schärferen Kurve rutschte Pia auf einem vereisten Straßenbereich vor mit aus und flog hin, so daß ich ebenfalls über ihr hinfiel. Diesen Sturz erlebte ich wie in Zeitlupe und hatte den Eindruck , daß ich ganz behutsam in die richtige Position gedreht wurde, um weich auf meinem Hintern zu landen. Als ob ein (oder mehrere) Engel mich aufgefangen hätte (wahrscheinlich war es auch so!). Gott beschützt!
Später gab es wieder ein schönes Frühstück mit Martin und Beate, dann die Fahrt nach Krefeld. 
Diese Chemo-Gabe habe ich besser vertragen als die erste. Danach war ich wieder etwas mehr müde als die Tage vorher, aber selbst am darauf folgenden Mittwoch ging es mir immer noch gut.
24.2. Baby-Show bei Dr. Danis. Nach wie vor geht es dem Kind gut, maßlich immer noch im Plan. Das Kind hüpfte wie ein Trampolinspringer, in den ca. 3 Minuten Ultraschallmessung hüpfte es mindestens 5x und drehte es sich 3x.
5.3. Von zwei verschiedenen Seiten erhalten wir großzügige Zuwendungen - wir sind einfach nur dankbar. Gott versorgt!
Eine Virusinfektion bei Martin und eine heftigere Erkältung bei Pia habe ich ohne Ansteckung überstanden. Martin mußte dabei aber auch im Keller schlafen!
17.3. Offenbar Wassereinlagerungen im rechten Arm bereiten mir Schmerzen, insbesondere nachts. Oft muß ich aufstehen und den Arm kühlen.
21.3. Tag der 3. Chemotherapiegabe. Wie bisher haben zuerst Beate und ich gemütlich gefrühstückt. Wir probierten ein neues Cafe in Kempen am Markt aus. Die Gespräche mit Beate vor der Chemo sind immer besonders intensiv.
Wir beide empfinden diese Zeit als ein besonderes Geschenk. Natürlich habe ich wie immer keine Lust auf die Chemo, aber danach habe ich schon die Hälfte davon geschafft. Diesmal bin ich mit zwei Frauen auf dem Zimmer. Beide haben ein Rezidiv, eine nach 10 Jahren und die andere Frau nach 18 Jahren. Wie gemein! Beide müssen die ganze Prozedur noch einmal durchstehen. Froh bin ich, dass beide Frauen nicht verzweifelt wirken. Irgendwie kämpfen die Frauen aber alleine, oder es wirkt so. Ich muss an die Mutter von einer Bekannten zurück denken. Krebs und diese lähmende Angst bei ihr. Was für ein Geschenk, dass ich das nicht habe! Nein, das ist nicht aus mir heraus! Jesus gibt mir die Kraft. Professor Balzer kommt überraschend und schaut nach mir. Auch wenn ich ihn länger nicht gesehen habe, so weiß er doch über alles bescheid. Ich soll zuerst alle Chemos durchmachen und dann wird voraussichtlich eine Woche später das Kind nach der Lungenreife geholt. Dann kommt die Strahlentherapie. Muss das denn alles wirklich sein? Na ja, vorher werden ja noch Gespräche mit mir geführt. Gegen Nachmittag sind wir wieder zu Hause. Mir geht es gut, auch Martin hat die heutige Darmspiegelung gut vertragen. Fasten wollte er dann doch nicht mehr, weil sein Darm doch etwas poltert und tatsächlich laut ist. Abends gibt es mein erstes Rumpsteak und es hat phantastisch geschmeckt. 
22.03.05 Mir geht es gut. Nachts hatte ich sogar keine Schmerzen im Arm, was sicherlich vom Cortison kommt. Simon bereitet sich darauf vor, gegen Mittag nach Issum zu meinem Bruder u. Schwägerin abgeholt zu werden. Gegen 14 Uhr sind Pia und ich alleine. Wir wollen uns so richtig schöne Frauentage machen. Heute steht Eis essen gehen und Shopping auf dem Programm. Tabea, Pias beste Freundin kommt mit. 
23.03.05 Heute spiele ich sehr viel mit Pia auf der Terrasse. Es gibt als Mittagessen "Frühlingskräutersüppchen", Pias Lieblingssuppe auf der sonnigen Terrasse. Später gehen wir ins Kino und werden "fuckerisiert". Wie gut, dass Pia noch nicht alles an dem Film verstanden hat. Der Film war ab 6 Jahre!
24.03.05 Diesmal geht Pia mit zur Krankengymnastik. Schliesslich will sie sich über den Beruf informieren, wenn sie das später einmal werden will. Als zweiter Termin am Vormittag steht Dr. Danis auf dem Programm. Es ist Pias erster Besuch beim Gynäkologen. Alles ist interessant. Das Baby kann man durch die Ultraschalluntersuchung ganz genau erkennen. Es macht Schluckbewegungen, was ein gutes Zeichen für die Gesundheit des Kindes sein soll. Nach den Computerberechnungen liegt der errechnete Geburtstermin immer noch innerhalb der Woche um den 15.8. - die Chemotherapie hat das Wachstum noch nicht spürbar gehemmt!
Am Abend ist die schöne Zeit, (nur Pia und ich) vorbei. Simon kommt zurück und er hat viel erlebt und geschafft. 
25.03.05 Karfreitag, wir besuchen unsere alte Gemeinde, die FeG in Krefeld. Viele freuen sich und beten für uns. Dankbarkeit macht sich breit. Ich muss an Moses und die kupferne Schlange denken (4. Mos 21). Irgendwie bin ich auf einem engen Weg. Viele Fehltritte und Verletzungen sind möglich. Aber so lange mein Blick auf Jesus und das Kreuz konzentriert ist, kann ich sicher gehen. Das Gift der Schlange/Chemo kann mir und dem Baby nicht schaden, nur den Krebszellen.
1.4.

Heute war der Tag, an dem Martin, Pia und ich die Freude hatten unser neues kleines Familienmitglied durcheine Doppleruntersuchung bei Dr. Rogmans näher kennenzulernen. 

Hat die Chemo unser Kind geschädigt? Ist es gesund? Welches Geschlecht hat es? Das Geschlecht wurde ganz schnell geklärt. Es wird ein XXXXX.

Daraus machte unser Baby keinen Hehl. Dr. Rogmans führte die Untersuchung sehr sorgfältig durch. Gehirn, Herz und Organe haben keine erkennbaren Schäden. Auch der Rücken ist geschlossen. Also, keine erkennbaren Schäden durch die Chemotherapie! Auch keine Wachstumsverzögerung!! Danke Jesus!

Aber, meine vorhergehende Grunderkrankung, sprich „Bluthochdruck“ hat die Blutgefäße doch geschädigt. D.H. die Versorgung der Gebärmutter u. somit des Kindes ist nicht optimal. Mit steigendem Wachstum benötigt das Baby mehr Blutversorgung u. dann gibt es Probleme. Dr. Rogmans meinte, dass ich genau auf meinen Bluthochdruck achten soll und gegebenenfalls mehr Medikamente eindosen müsste. Vermutlich hätte ich das Baby allein schon durch dieses Problem nicht ganz austragen können. Das sollte mich trösten, wenn es eine Woche nach der letzten Chemotherapie geholt wird. In der 24 en SSW will er mich wiedersehen.
Am Nachmittag habe ich mir sofort ein neues Blutdruckmessgerät geholt, das statt am Handgelenk am Oberarm misst. Die Werte waren höher als 120 zu 80.
Also habe ich die Medikamentendosis erhöht und hoffe dass mein Hausarzt bald aus dem Urlaub zurück ist. Ansonsten danke ich allen Betern, denn euer Gebet wurde erhört!
Bitte betet, dass auch mein Bluthochdruck gut eingestellt werden kann und durch die Schwangerschaft nicht entgleist. Meine letzten Messungen in den darauffolgenden Tagen waren doch bedenklich. Ich fände es schrecklich, wenn dadurch unser Baby Schaden erleiden würde.

17.4.

Die letzte Zeit war ich etwas schludrig. Der Grund war, dass viel los war und ich zum anderen mich selbst wohl in schriftlicher Form meinen Gefühlen nicht stellen wollte.

Am Sonntag vor der vierten Chemo spürte ich einen psychischen Einbruch. Wir waren bei meinem Bruder, Frau und Kindern in Issum und die äusseren Bedingungen waren prima. D. h. das Wetter, das Essen, was meine Schwägerin kochte und auch die Stimmung.

Nur ich selber spürte eine Gewisse Traurigkeit: „ Nicht wieder zur Chemo! Bislang hat unser Kind alles so gut verkraftet, aber ich will ihm nicht schon wieder eine Portion Gift zumuten! Warum muss das alles sein? bringt es überhaupt etwas, oder bin ich vielleicht trotzdem schon voll Metastasen? Wie lange werde ich Martin und die Kinder noch erleben dürfen?“

Sofort wirkte sich meine Trauigkeit auch auf meine körperlich Verfassung aus. Der Ausflug zum Oermter Berg am Nachmittag war ganz schön beschwerlich. Der Vergleich mit einer schweren Dampfmaschine oder Watschelente wird immer treffender.

18.04.

Heute war meine Laune schon wieder besser. Es ist wirklich ein Geschenk, dass Beate mich zur Chemo begleitet und ich nicht alleine bin (bin ich sowieso nicht!) Gute Gespräche im Kaffee beim Frühstück und einem Arzt, der wirklich gut Braunülen in Portanlagen stechen kann. Danke, Dr. Szenandrasi! 
Er hat mir auch angeboten, die Hand zu akupunktieren und seitdem geht es mit der Hand wirklich besser. So erlebte ich also wieder einen schönen Tag und sollte mich nicht beklagen.

Die nächsten Tage waren einfach davon geprägt, sich zu erholen bzw. nicht zu überanstrengen, sprich ein ausgewogenes Verhältnis an Aktivität zu finden, dass der Körper sich erholen kann. Trotzdem bin ich zur Schulkonferenz gegangen und es hat mir nicht geschadet.

22.04.

Die Zeit verging schnell bis zum erwarteten Termin bei Dr. Rogmans. Dem Baby geht es gut und es wiegt schon 541 gr. 

Am Wochenende folgte unser Ehe-Tüv. Einmal treffen wir uns mit Freunden, die im gleichen Jahr wie Martin und ich geheiratet haben und lassen uns Zeit, über unsere Ehe nachzudenken. Da wir uns schon so lange kennen, brauchen wir uns gegenseitig nichts vorzumachen, was ein großes Geschenk ist.  Trotzdem brauchten wir diesmal bis Sonntag, um endlich für uns an die Punkte zu kommen, wo Arbeitsbedarf besteht. Für die Impulse dieses Wochenendes bin ich sehr dankbar.

25.04.

Endlich kam dann am Montag der ersehnt Arztbesuch beim Neurologen. Viele Hoffnungen waren mit diesem Besuch verbunden. Kann er mir helfen? Ich möchte nicht mehr Nacht mit so schlimmen Schmerzen aufstehen müssen (nach 8 mal habe ich aufgehört zu zählen).

Wartezeit hatte ich nicht! Ich sollt mit schon freiem Oberkörper auf den Arzt warten. Da ich das sehr entwürdigend fand, habe ich mein T-Shirt einfach angelassen. Dafür muss auch später Zeit sein! Der Arzt kam herein, ich erzählte ihm kurz meine Anamnese, danach untersuchte er mich (ging auch mit T-Shirt) kurz neurologisch (Zeigefinger zur Nase, Gang und das berühmte Hämmerchen) und dann kam die Messung. Leider mit Stromstößen, was ich nicht wusste und zur Krönung wurden mir noch zwei Elektrodennadeln in die Hand gestochen, was sehr weh tat und die Hand für den Tag unbrauchbar  machte. Das alles dauerte höchstens 10 Minuten. Dann sollte ich zum Gespräch in den Nebenraum kommen.

Er: „ Stimmt, sie haben ein Karpaltunnelsyndrom (KTS). Das kann man operieren.“

Ich: „ Man hat mir gesagt, dass nach 4 Chemotherapien ich dringendst von operativen Eingriffen absehen sollte, um Komplikationen zu vermeiden. Was habe ich noch für Möglichkeiten?“

Er: „Keine!“

Ich: „Mir ist gesagt worden, dass man auch Kortison in das Gelenk spritzen kann. Was halten sie davon?“

Er: „ Das macht der Orthopäde.“

Ich: „ Können sie mir einen Orthopäden empfehlen und mich dahin überweisen?“

Er: „ Das macht der Hausarzt! Der kriegt noch einen Bericht. Se können aber das ( Blaues Rezept mit dem Text: KPS bestätigt) mitnehmen. Ist wohl im Moment etwas schwierig, oder?

Ich: „ Ja, auf Wiedersehen .“

Am Ende hatte ich wohl gelogen, denn diesen Arzt möchte ich nicht wieder sehen. Nach diesem Besuch hatte ich das erste mal nach langer Zeit richtig geweint. Ich konnte mich auch zu Hause nicht beruhigen und war für den Tag unbrauchbar.

Glücklichweise muss ich zur Zeit wegen dem KPS nicht mehr aufstehen. Die Schmerzen sind weniger geworden und durch Bewegungen kann ich auch nachts die Mobilität der Hand wiederherstellen. Die Lähmungserscheinungen halten sich also in Grenzen. Deshalb werde ich erst einmal bis zur Geburt nicht unternehmen, weil es besser geworden ist.

In der Woche standen noch die Elternsprechtage für Simon und Pia in der Schule an. Ich hatte mir die die Termine bewusst selbst mit Pausen belegt, konnte aber natürlich nicht beeinflussen, dass einmal ein Gespräch in der 3. Etage stattfand und der nächst Lehrertermin im Orientierungsgebäude (Erdgeschoss) war. Deshalb ließ ich bewusst den abendlichen Niederländisch-Sprachkurs ausfallen. Insgesamt dürfen wir auf Simon und Pia sehr stolz sein, nicht nur wegen ihrer guten bis befriedigenden Leistungen, sondern auch wegen ihrer positiven stabilen Ausstrahlung. Ich haben den meisten LehrerInnen mitteilen können, dass die letzten Schulwochen und auch das beginnende Schuljahr schwierig werden, da wir als Eltern nur beschränkt da sein können, was mir in der Seele weh tut. Trotzdem wir sich an Kaiserschnitt (20 -25.Juni) mit folgender Strahlentherapie und einem Baby auf der Frühchenstation und die folgende Reha (vielleicht kommt Martin mit) nicht viel ändern lassen . Wenn wir die Termine genauer wissen, dann können wir auch besser planen.

30.4.

Am Samstag waren wir in Düsseldorf und machten bei einem Seminar zu Life-Work-Church-Balance mit. Viele gute Impulse, wie man sein Leben im ausgewogenem Verhältnis zwischen Arbeit, Privatleben/Familie und Gemeinde führt, fundiert und nicht abgehoben. Ich werde mir noch mit Martin gemeinsam Zeit nehmen, um die Dinge nachzuarbeiten und zu vertiefen. Zum Wochenende hatten Pia und ich für den 1. Mai einen Überraschungstag geplant. Das Wetter war für das Kernwasser Wunderland hervorragend. Ich habe mich sogar auf die Wildwasserbahn gewagt und auf das Karussel. Die Höhenangst verdarb mir aber dabei die Freude. Also freute ich mich mehr an Fritten, Orangensaft und Simon, der Quad fuhr.

Auch Pia kam auf ihre Kosten und hatte viel Freude. Abends konnten wir noch auf der Terrasse sitzen und hatten einen schönen Spieleabend (Entdecker). Nur Martin litt etwas, weil er ja nicht so gerne spielt.

Die folgende Woche verlief recht unspektakulär. Mit Pia kaufte ich gemeinsam Sandalen und auch ich brauchte zwei Paar Sommerschuhe, da meine Füße durch Wassereinlagerungen dick wurden.

Am Donnerstag (Christi Himmelfahrt) zogen wir endgültig in den Keller. Simon räumte oben den Kleiderschrank aus und brachte mir die Sachen in den Keller, wo ich sie wieder einräumte. Martin baute das Bett auf und ich muss sagen, dass es mir gut gefällt.

Jetzt haben wir in den oberen Räumen noch Chaos, was ja bekanntlich vor der Ordnung kommt. Ich freue mich, wenn Simon und Martin alles fertig haben, aber das wird noch dauern.

 

8.05.

Zu Muttertag fuhren wir zu meiner Mutter. Ihr schenkte ich eine selbstgenähte Bluse und sie freute sich riesig über unseren Besuch. Wollte sie es nicht sagen, oder fiel ihr wirklich nicht auf, dass meine Haare wirlich dünner geworden sind. So langsam lassen sich kahle Stellen nicht vertuschen.

Jetzt hat wieder die letzte Woche vor der erneuten Chemo begonnen. Ich merke, wie die Kräfte wider kommen und ich mich ganz normal schwanger fühlen darf. Da sind also doc Unterschiede, obwohl ich nicht echt zwischen Schwangerschaftsbeschwerden und Beschwerden durch Chemo unterscheiden kann. Irgendwie fühle ich mich aber jetzt wieder kräftiger.

Also werde ich die Tage jetzt nutzen und mit den Kinder schöne Sachen machen. Nein, diesmal will ich nicht in Traurigkeit versinken.

Neu ab hier

16.05. Nachdem der Pfingstsonntag ruhig, normal und schön verlief, gab es am Montag Aufregung. Morgens hatte ich starke Schmerzen oberhalb und unterhalb des Kindes und ich mußte mich schon vor dem Frühstück aufs Sofa legen. Zu den unbekannten und unerwartet starken Schmerzen bewegte sich auch David sehr lebhaft. Helmut und Christina kamen vorbei, um etwas anzuliefern, und Helmut überredete uns, ins Krankenhaus zu fahren. Beate, die ich anrief, kam ebenfalls zu uns, um uns zu unterstützen.

„ Jetzt bleibe ich bis zum Ende der Strahlentherapie im Krankenhaus,“ dachte ich und das hob meinen Stimmungspegel nicht wirklich.

Beate fuhr im Rettungswagen mit und nutzte natürlich die Gelegenheit, dem Rettungswagenfahrer von mir und von Gott zu erzählen. Das kann sie wirklich gut, denn der Fahrer war zutiefst bewegt. Er gestand Beate, dass er schon befürchtet hatte, dass seine Gefühle abgestumpft seien, ihre Schilderung von mir ihm aber zeigen, dass er wohl noch Gefühle hat. Somit hat sich der ganze Einsatz gelohnt.

 Martin kam hinterher, als er das Wichtigste geregelt hatte. Simon war im Pfadfinderlager, Pia fuhr mit Helmut mit zu ihren Aktivitäten. In Krefeld stellte sich heraus, daß es sich um vorzeitige Wehen handelte, aber auch der Muttermund schon verkürzt war. In der Notaufnahme sagte die Ärztin zu mir, dass ich das rohe Ei der Klinik sei.Trotzdem hat sie mir erst beim 5. Versuch erfolgreich Blut abgenommen, trotz Port hatte sie noch den Ehrgeiz, mir eine Braunüle in den Arm zu setzten, die aber auch nicht stimmte. Später wurde dann doch der Port genommen und sie hat sich bei mir entschuldigt. Seit dem kann ich Spritzen nicht mehr sehen.

Martin mußte auf eine 2tägige Auslandsreise und organisieren, wie die Kinder zwischenzeitlich zurecht kommen. Wir sind dankbar für Freunde, die hier halfen - sei es Andrea, wo die Kinder mittagessen konnten oder die treue Beate, die am Dienstagabend bei uns übernachtete. Ich habe große Schwierigkeiten, zu der Situation Ja zu sagen.

Drei Tage später gelang die Umstellung auf Tabletten und am Freitag nach Pfingsten wurde auch die 5. Chemo nachgeholt. Ich wurde sogar am Samstag entlassen und bin wieder 3 Wochen zu Hause. Die letzte Chemo war für mich doch nicht ganz so einfach wegzustecken. Sodbrennen und Übelkeit machte sich am Anfang breit und bis jetzt habe ich täglich Durchfall und eine nicht weggehende Entzündung im Intimbereich, die nach Arzt auch typisch als Folge nach Strahlentherapie oder Chemo ist. Dazu kommen dicke Beine und beidseitig das Karpaltunnelsyndrom. Morgens kann ich häufig beide Hände schlecht bewegen und habe mit Schmerzen und Gefühllosigkeit in den Händen zu tun.

Praktisch ist, dass ich schon im Bett die Stützstrumpfhose anziehen soll; das ist so schwierig und lenkt mich von den Händen ab. Wenn ich das „Höschen“erfolgreich angelegt habe, bin ich in Schweiß gebadet und meinen Händen geht es wieder viel besser. Vielleicht mag das manchen Leser erschlagen, was ich an Beschwerden habe, aber letztendlich kann ich kaum zwischen den Beschwerden einer älteren Schwangeren und den Beschwerden durch Chemotherapie unterscheiden. Das ist gut so. Außerdem wachsen mir sogar wieder Haare nach. Mein Kopf sieht gar nicht mehr so kahl aus. Das ist wirklich Gottes Gnade!

Die Ärzte wissen auch nicht so recht, warum mir jetzt schon Haare nachwachsen und vermuten, dass es mit meiner hormonellen Situation zu tun hat. 

Ich darf zu Hause sein! Ich war sogar bei unserem Lyrisch – Lustig-Abend vom Frühstückstreffen für Frauen auf Gut Heimendahl. Meine Nachbarin hat mich zum Nähkurs mitgenommmen. Ihr Mann fährt mich extra. Bei Edeka darf ich als Abkürzung den Lieferanteneingang vom Garten aus benutzen und den Einkaufswagen bis zum Garten schieben. 3mal in der Woche kommt eine Hauhaltshilfe.

Also, ich werde so verwöhnt, dass ich sicherlich später jammern werde, wenn ich dann alles wieder alleine schaffen soll und dazu noch ein kleines Würmchen dabei ist.

12.6.

Simon hat uns allen eine große Freude bereitet. Spontan meldete er sich am Sonntag, den 5. Juni zu Taufe am 12. Juni. Die Freude war groß und auch das Bemühen, ihm ein schönes Fest trotz meiner eingeschränkten Möglichkeiten zu bereiten. Alles klappte prima. Ich konnte sogar selbst viel schaffen und das im Sitzen in der Küche und viel Hilfe war auch dabei. Am Ende waren wir alle mit dem Tag und dem Fest überaus glücklich. Ich bin gespannt, wie sich Simon weiter entwickelt und wie wir ihm weiter Hilfestellung geben können. Toll für uns als Eltern, dass ihn unsere Lebens- und Glaubenseinstellung nicht abgeschreckt hat. Für mich war es vor der letzten Chemo ein besonderes Geschenk.

Am 17.06. also in drei Tagen ist es schon wieder so weit. Am Freitag werde ich auch Professor Balzer vorgestellt, der dann genau entscheidet, wann das Kind geholt wird. Es beginnt also wieder ein neuer Abschnitt. Ich selber habe Angst vor der Trennung von unserem Kind. Wie wird es mir und ihm so getrennt voneinander gehen? Kann ich ihm genug Nähe geben, die er so dringend braucht, um ein gesundes und fröhliches Baby zu werden? Auch für mich kommt die Stunde der Wahrheit. Werden Metastasen da sein?  Wie verkrafte ich die Strahlentherapie? Wie wird es Simon und Pia in der Zeit ergehen?

Ich werde wieder ganz neu die Kunst der kleinen Schritte gehen lernen.

Von Dietrich Bonhoeffer habe ich etwas ganz Tolles gelesen:

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,

Gutes entstehen lassen kann und will.

Dafür braucht er Menschen,

die sich alle Ding zum Besten dienen lassen.

Ich glaube, dass Gott uns aus jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.

Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.

Im solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Besser kann ich es auch nicht sagen und treffender. Dankbar blicke ich auf die letzten Monate zurück. Ich habe so viel an Liebe durch Menschen und Gott erfahren, dass ich letztendlich diese Zeit nicht missen möchte. Positiv verwandelt möchte ich aus diesen Tagen heraus gehen, um auch anderen in ähnlicher Situation zur Seite stehen zu können. Bis jetzt habe ich viel steichelnde Liebe von Jesus erfahren, die mein Vertrauen in Ihn gestärkt hat.

So werde ich auch getrost in die nächsten Tage gehen und wenn ich Angst habe, dann werde ich es auch sagen, besonders Ihm.

17.6.

Jetzt habe ich die 6. Chemotherapie in mir.

Am Freitag, den 17.06. holte mich Ute Straeten ab und wir gingen gemeinsam zum Frühstücken ins Cafe´am Ring. Dort gesellte sich dann Beate noch zu uns. Das Prinzip, vor die Chemotherapie einen schönen Moment zu legen, hat sich bewährt. So sind es nicht die Tage, wo man wieder seine Giftladung abholt, sondern die Tage, wo man gemeinsam mit einer Freundin etwas Schönes unternommen hat. Diesmal war es für Beate nicht möglich mitzukommen, aber Ute hatte sich bis 14 Uhr frei machen können. Für sie bedeutet Krankenhaus nichts Negatives. Sie war schon als Kind lange im Krankenhaus, trotzdem ist es der Ort geblieben, an dem geholfen wird. Ihre Einstellung finde ich prima.

Dr. Szesandrasi begrüsste mich und wollte für seine Kartei ein Foto von mir machen. Er meinte, dass er das von seinen „nettesten Patienten“ machen würde, was geflunkert war und er sofort zugab. Später machte er während der Chemo noch von mir ein Photo und schenkte es mir. 

Um 14 Uhr ging Ute wie besprochen und ich war mit meiner Zimmernachbarin alleine. 46 Jahre ist sie alt und schon 2fache Großmutter. Trotz ihrer Krankheit erledigt sie Hausmeisteraufgaben und kümmert sich um ihre Enkelkinder. So einfach schien sie es nicht zu haben. Die Zeit bis zum Ende der Chemo verging recht schnell. Währenddessen kam auch der Oberarzt zu mir und sagt,e dass man unser Baby noch nicht in der  kommenden Woche holen will, weil am 10. Tag nach der Chemotherapie die Blutwerte am schlechtesten sind. Diesen Tiefstand will man unter ärztlicher Kontrolle lieber abwarten und erst am 05.07. unseren David zur Welt bringen. Mir soll das nur recht sein, denn dann ist auch meine Seele nachgereist und bereit zu Trennung. Die Hitze tut ihr übriges.

Gott ist aber mit seinem Timing perfekt, denn genau an diesem Tag entbindet auch Ilka M. ihr Kind bei Professor Balzer. Wir beide arbeiten beim Frühstückstreffen für Frauen mit und auch sie ist in ähnlichem Alter wie ich. Sie geht in die Brüdergemeinde nebenan, wo auch für mich so dauerhaft und standhaft gebetet wird. Irgendwie macht es Freude, so oft von Betern angerufen zu werden und zu erleben , dass Gott offensichtlich Freude an diesen Gebeten hat und sie gerne erhört. Danke noch einmal!!!!!!

Auf jeden Fall freuen sich Ilka und ich schon aufeinander, denn wir werden am gleichen Tag operiert und kommen sicherlich auch auf die gleiche Station.Ich bin gespannt, was Jesus mit uns beiden und unseren Kindern vor hat. Abends hat mich Martin von der Arbeit abgeholt. Wir feierten noch durch ein schönes Eis am Markt gemeinsam mit Pia den Abschluss der Chemotherapie. Schöne Momente!!!!

Am nächsten Tag bekamen wir einen wunderschönen Kinderwagen geschenkt, wozu wir nur noch eine Hartschale kaufen mußten. In einem Baby - Fachgeschäft erkundigten wir uns auch über die Möglichkeiten der Ernährung mit der Flasche. Ganz schön teuer ! Leider bestätigte sich bei mir eine zunehmende Mittelohrentzündung am Wochenende. Sonntags waren wir zum Gottesdienst in Issum und später bei meinem Bruder. Als allg. Arzt  bestätigte er die Diagnose und nötigte Martin, schon an diesem Tag Medikamente aus der Apotheke zu besorgen. Martin tat es, aber nicht so gerne, erstens weil es Geld kostet und zweitens weil es noch mehr Medikamente bes. das Antibiotikum sind. Trotzdem war es nötig und ich habe sie auch genommen, weil ich mich auch wirklich nicht so toll gefühlt habe.

Wasser habe ich auch noch hinter dem Trommelfell und bin so richtig schwerhörig. Als Familie fuhren wir noch zu einem Hoffest. Es ist in Kerken, ein Milchhof, der Vorzugsmilch produziert und auch bis nach Kempen ausliefert. Das Preis-Leistungsverhältnis hat uns überzeugt und so haben Martin und ich probeweise bestellt. Bislang sind wir von der Qualität sehr angetan und auch die Kinder. Die ganze Atmosphäre auf dem Hof war auch liebevoll, aber ich schleppte mich nur so durch die Gegend.

Irgendwie war die Mittelohrentzündung einfach zu viel. Abends habe ich dann viel geschlafen.

23.6.

Jetzt ist schon Donnerstag. Irgendwie habe ich mich durch die Woche gequält. Heute habe ich fast nur geschlafen und Kleinigkeiten strengen so an. Duschen oder Stützstrumpfhose anziehen oder Einkaufen und Essen kochen. All diese Aktivitäten brauchen Pausen mit viel Schlaf.

Meine dicken Wasserbeine würden eine Elefantenlady vor Neid erblassen lassen. Die Finger sind steif und dick und das Tippen fällt schwer. Ich glaube, dass ich einfach mal erleben darf, wie es ist, wenn man alt wird und natürliche Dinge beschwerlich werden. Vielleicht werde ich so barmherziger und verständnisvoller. Mittlerweile weiß ich auch die Termine für die Strahlentherapie.

Am 21.07. soll ich erst zum Einzeichnen vorstellig werde und am 05.08. ist dann der Start.

Der Zeitplan ist also doch nicht so eng, wie zuerst mitgeteilt. Stillen werde ich wohl wirklich nicht können, weil man die Brust zur Bestrahlung in eine unveränderliche Größe und Zustand braucht. Ganz kampflos wollte ich mich aber der Klinik nicht ergeben und habe als stillbegeisterte Mutter erst dafür gekämpft, wenigstens um am Telefon ein bisschen zu ärgern, aber die Argumente leuchten ein. Nur meine Seele muss noch nachreisen.

In der letzten Woche vor der geplanten Geburt ging es spürbar bergauf. Die Beschwerden ließen in ihrer Heftigkeit nach. Am Sonntag vor dem Gang ins Krankenhaus haben wir wieder auf dem Markt bei einem großen Eis "Abschied" gefeiert. Regina hatte für jeden ein kleines Buch ausgesucht, das etwas wie ein Liebesbrief an den jeweiligen war. Insbesondere Pia hat das stark geholfen, sie hat es sogar am Montag fest umklammert mit in die Schule genommen.
4.7. Regina sollte an diesem Tag schon ins Krankenhaus kommen, damit alle Vorbereitungen getroffen werden können. Ich habe sie hingefahren und dann den Tag noch in der Firma gearbeitet. Auf dem Rückweg bin noch einmal kurz ins Krankenhaus, wo mir Regina erzählte, daß sie beinahe wieder nach Hause geschickt worden wäre. Sie wäre nicht auf dem OP-Plan eingetragen, aber nun wird sie "dazwischengeschoben". Professor Baltzer läßt es sich nicht nehmen, selbst die OP durchzuführen.

Beim Telefonat abends teilte Regina mir mit, daß sie wiederum etwas Hartes in der Nähe der Tumornarbe getastet hätte und sie Angst hat, daß alles wieder von vorne losgeht.

5.7.

Der erste Morgengruß an diesem Tag ist der Losungsvers: 

5. Mose 2,7: Der Herr, Dein Gott, hat Dein Wandern durch die Wüste auf sein Herz genommen.
Lukas 13,11-13: ... Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sprach zu ihr: Frau, sei frei von Deiner Krankheit. Und legte die Hände auf sie; und sogleich richtete sie sich auf und pries Gott.

Der Kaiserschnitt ist auf ca. 9.00h angesetzt und ich treffe Regina und Beate, die ebenfalls dabeisein möchte und bei den Chemos schon so engagiert Anteil genommen hat, etwas früher, um die Wartezeit zu erleichtern. Gegen 9.30h heißt es plötzlich: "fertig machen, es geht los". Während der OP bleibt Beate draussen. Als ich in den Kreissaal darf, wird bereits geschnitten, Regina hat ein großes Tuch vor sich und merkt nur, daß "da unten" rumgewerkelt wird, hat aber keine Schmerzen. Es ist jedoch ein ausgesprochen unangenehmes Gefühl. Prof. Baltzer und auch das restliche Team erschien sehr entspannt (insbesondere für den sehr vollgepackten OP-Tag). Um 10.05h ist David draussen, tut seinen ersten Schrei (Krächtzer) und wird sofort zum Untersuchungstischchen gebracht. Regina hatte gehofft, ihn doch kurz zu sehen, aber das fand nicht statt. In einer knappen halben Stunde war Regina wieder zugenäht.
Sie kam dann  für 2 Stunden in einen Aufwachraum, danach wieder auf ihr Zimmer. Nachdem die Narkose nachgelassen hat, wurden die Schmerzen jedoch sehr sehr stark. Das erste Schmerzmittel tat nicht seinen Dienst, also wurde ein sehr starkes gegeben. Daraufhin war Regina etwas benebelt und konnte nur schwer sprechen. 

10 Minuten nach der Geburt

In der Zwischenzeit waren Beate und ich kurz beim Kind und haben gesehen, dass es ihm gut geht und er relativ gut atmen kann. Er kam auf die Intensivstation zur Überwachung und zur leichten Atemunterstützung (zusätzlicher Sauerstoff). Er ist ein süßer Kerl, der den Eindruck erweckt, auch als kleines Baby diese Herausforderung durchzustehen und zu meistern. Beate meinte, manche Babies wirken im Inkubator wie verloren, David aber wirke "präsent".

Alles in allem: wir sind von Grund auf dankbar für dieses Geschenk.

Abends habe ich mit Pia und Simon mit einem kleinen Barbecue gefeiert.

6.7. Heute habe ich Regina und David mit Pia und ihrer Freundin besucht und gesehen, daß es beiden schon besser geht. Am Abend ist es Regina mit Beate gelungen, aufzustehen, sich anzuziehen und David endlich selbst zu sehen. Die Verhärtung an der Tumornarbe wird morgen oder spätestens Freitag untersucht.
8.7. Regina geht es von Tag zu Tag besser, was ihre Schmerzen und ihre Beweglichkeit angeht. Donnerstag konnte sie zum ersten mal aus dem Bett aufstehen und zu David in die Kinderklinik gefahren werden. Dort hat sie ihn zum ersten Mal gesehen. Auch David entwickelt sich von Tag zu Tag stabiler. Heute brauchte er schon keinen zusätzlichen Sauerstoff mehr in der Atemluft. 

Der Freitag war für Regina der große Untersuchungstag, der für sie ausgesprochen unschön war. Von 7.30h bis 12.30h gab es kein Essen und Trinken, dafür Mammografie, Scintigrafie, Sonografie - also von oben bis unten alles durchleuchtet. Neben ziemlicher Taktlosigkeit einiger Ärzte mußte sie verkraften, daß ein Befund in der Brust sich bestätigte und ein weiterer sich im Oberschenkelknochen fand. Der Knoten in der Brust (7mm) wird am Montag sofort wegoperiert, der Befund im Knochen wird weiter untersucht, um festzustellen, ob es etwas mit dem Krebs zu tun hat oder nicht. Leber und Lunge sind derzeit ohne Befund!

9.7. Heute konnte Regina schon ohne Rollstuhl den ganzen Weg bis zur Kinderklinik alleine gehen und durfte David bereits auf dem Arm halten. Dabei hat der Kleine wohl die Augen geöffnet. Das war natürlich für Regina ein großer Moment.
15.7. Am letzten Montag wurde Regina an gleicher Stelle wie vorher auch ein reiskorngroßer Tumor aus der Brust operiert. Die Lage knapp unter der Haut war ungewöhnlich. Durch die gering dosierte Narkose wachte Regina schnell wieder auf, hatte aber den Rest des Tages mit starken Kopfschmerzen Richtung Migräne zu tun (Flüssigkeitsverlust und abgesackter Blutdruck).

An den folgenden Tagen erholte sie sich recht schnell, auch David wurde immer fitter. Am Mittwoch lag er schon im Wärmebettchen, am Donnerstag kam er auf die Frühchenstation. Regina ist so oft es geht bei ihm - insbesondere bei den Mahlzeiten. David muß jetzt zunehmend lernen, seine Nahrung durch Saugen aufzunehmen und nicht durch Magensonde. Das kostet Kraft - und die will erarbeitet sein. Aber er macht sich prächtig. Mittlerweile wiegt er knapp 2000 gr.

Heute wurde Regina berichtet, was aus den Untersuchungen herauskam: der Tumor ist wieder Grading 3,  und die Anomalie im Oberschenkelknochen scheint eher eine Entzündung zu sein als eine Metastase. Das bedeutet für Regina: trotz Chemotherapie konnte sich ein neuer Tumor bilden. Die anstehende Strahlentherapie wird in ihrer Strahlungsmenge verdoppelt (Hautveränderungen, Verbrennungen...) und es wird noch einmal eine Chemotherapie folgen!

Positive Nachricht: Die Behandlung ist auch aus ärztlicher Sicht nach wie vor kurativ (mit der Perspektive "Heilung"), nicht paleativ (Maximalziel: lebensverlängernd).

Morgen wird Regina aus ihrer Frauenstation entlassen und wird in ein Elternzimmer auf der Frühchenstation umziehen.

Liebe Grüße von Regina! Sie bewegt seit gestern Ps 118: "Der Herr züchtigt mich sehr, aber er gibt mich dem Tode nicht preis."

17.7. Regina hat ein schönes Elternzimmer auf der Frühchenstation bezogen - diese Station ist sowieso supergut ausgerüstet und sowohl Baby- als auch Elternfreundlich eingerichtet. Auch die Schwestern sind ebenso wie in der Intensivstation ausgesprochen freundlich und engagiert. 
Am heutige Sonntag ist Regina bis zu unserer alten FeG-Gemeinde in der Oelschlägerstrasse in den Gottesdienst gegangen. im Hansazentrum merkte sie, daß es für ihren Zustand doch ein sehr langer Weg war. Danach ist sie noch mit einigen Freunden Kaffeetrinken gegangen, was sie sehr genossen hat.
David entwickelt sich weiter prächtig. Er ist ein recht ruhiges Kerlchen, hat sehr friedliche Gesichtszüge (da wird man als Erwachsener sehr leicht neidisch). Schon bald trank er seine gesamte Mahlzeit aus der Flasche, so daß am Mittwoch, als er sich im Schlaf die Magensonde gezogen hat, diese nicht noch einmal eingeschoben wurde.
22.7. Am Tag vorher hat sich recht überraschend ergeben, daß die Ärzte der Entlassung von Regina und David für den nächsten Tag zustimmten. So holte ich beide am Nachmittag mit Sack und Pack nach Hause. David wog zu der Zeit 2160 gr und war 48,5cm lang. Alle meine Pläne, im Keller mit Simons Hilfe noch einige Umbauten zu bewerkstelligen, waren über den Haufen geworfen.

Am nächsten Tag stellte sich natürlich heraus, daß der Zustand ihres Zuhauses nicht ihren Vorstellungen entsprach und so kribbelte es permanent in ihren Fingern, irgendwo Hand anzulegen. Na ja, am Nachmittag war dann alles o.K.

Am nächsten Tag wurden Simon und Pia von ihrem Onkel und Tante zum Urlaub nach Kroatien abgeholt, so daß wir jetzt 3 Wochen in trauter 2,5-samkeit sein können. Die kommende Woche habe ich mir dafür Urlaub genommen.

In den letzten Tagen, seit wir zuhause sind, ist auch die Anteilnahme von Freunden, Bekannten und Nachbarn überwältigend. Immer wieder klingelt es und jemand bringt ein kleines Geschenk vorbei und freut sich natürlich, den Kleinen, Süßen zu sehen.

25.7. Reginas Geburtstag - darüber kann sie selbst schreiben, also mehr demnächst.
26.7. Heute hat Regina erfahren, daß der Befund am Oberschenkelknochen keine Metastase ist, sondern ein Brodie-Abszess, eine eitrige Entzündung im Knochen, die ohne Behandlung den Knochen zerstört. So sehr wir uns freuen, daß es tatsächlich keine Metastase ist, so sind wir natürlich nicht glücklich, daß schon wieder eine "Baustelle" eröffnet worden ist.
Hier hat Regina die Tage in der Klinik aus ihrer Sicht beschrieben
28.7. Heute haben wir erfahren, daß die Chirurgen, die den Abszess konsiliarisch bewerten sollten, doch nicht 100% sicher sind, ob es ein Abszess oder eine Metastase ist. Neuester Stand: Am nächsten Freitag wird Regina wieder operiert, und zwar wird die auffällige Stelle im Knochen rausoperiert - egal was es ist. Wenn der Knochen dafür nur wenig geöffnet werden muß, bedeutet das für Regina etwa 2-3 Tage stationärer Aufenthalt, wenn die Stelle größer sein wird, daß z.B. diese Öffnung mit einer Platte stabilisiert wird, dann heißt das 6-7 Tage Krankenhaus. Offenbar verträgt sich diese Operation mit der Bestrahlung, die am Donnerstag startet.
02.08. Jetzt war es also so weit, dass ich trotz beginnender Strahlentherapie in der Chirurgie wegen einem Brodie - Abzess im rechten Oberschenkel oder fraglichem Tumor im Knochen operiert werden sollte. Innerlich stellte sich bei mir wegen dem Eingriff eine große Abwehr ein. Zuerst kam aber der 02.08., mein Einzeichentermin in der Strahlenklinik. Aus irgendwelchen Gründen war ich fest der Meinung, dass der Termin gegen 12.30 Uhr ist. 
So saß ich also ganz gemütlich gegen 8.45 Uhr nach einer durchzechten Nacht mit David im Nachthemd im Wohnzimmer. Gemütliche Gedanken nach einem ruhigen Vormittag mit einer letzten ausgiebigen Dusche machten sich in mir breit. Irgendetwas trieb mich aber dazu, doch noch einmal auf das Kärtchen mit den Terminen zu schauen. Welch Schock. denn es stand da 9.00 Uhr! Wissend, wie wichtig der Termin ist, stieg mein Adrenalinspiegel aufs unermessliche. Es folgte nun ein Anruf in der Strahlenklinik, dass ich verspätet komme, Taxiruf, schnellstes Ankleiden von Mutter und Kind, Packen von Windel und Fläschchen, David in den Kindersitz gesetzt und noch das Einpacken der Trage von David und der Griff nach Papieren. Das alles geschah in weniger von 10 Minuten und ich glaube, so schnell waren Mutter und Kind noch nie fertig! Gegen 9.30 war ich dann in der Strahlenklinik. Mir war die Verspätung super peinlich, aber dort waren alle sehr freundlich zu mir. Eingezeichnet und verschwitzt organisierte ich noch meine Akte in der Chirurgie und sprach mit Prof. Baltzer über die OP, die er leider befürwortete. Später fuhr ich noch mit dem Zug zurück und nahm erst ab Kempen wieder ein Taxi. Viele Leute bewunderten am Bahnhof unseren kleinen David, auch ein Diakon mit einem offensichtlichem Alkoholproblem, der nach 19 Jahren in der kommenden Woche seine Tochter zum ersten mal treffen sollte. So viel hatte er verpasst! Die Trauer war ihm anzumerken. Erst gegen 15 Uhr war ich wieder zu Hause und ziemlich erschossen. Nun ließ sich die Operation an meinem Oberschenkel mit Ausräumen des Röhrenknochens an der betroffenen Stelle und Einsetzen einer Platte zur Stabilisierung nicht vermeiden. Wieder Warten auf das Ergebnis, denn einen Tumor konnte man nicht ausschließen.
Am Donnerstag wurde ich stationär aufgenommen und hatte auch meine erste Bestrahlung. Sie findet in einem Keller statt und man wird dort sehr freundlich behandelt; das ändert aber nichts an der Situation, mehrere Minuten alleine und möglichst bewegungslos zu sein. In dieser Zeit geschieht etwas mit einem, was normalerweise nicht gesund ist (2 Gray pro Bestrahlung). Intuitiv spürte ich, dass dies ein Raum ist, an dem viel und ehrlich mit Gott geredet wird. "Wo bist Du?", werden bestimmt viele gefragt haben. Auch ich habe mir die Frage gestellt und mir gewünscht, ihn ganz nah körperlich spüren zu können. Nein, Gottesferne ist dort nicht! Er wird dort mit seinen Engeln in dem Raum sein. Dort kann man nicht tiefer als in seine Hände fallen und ruhen. 
"Bitte lass mich nicht so lange fallen! Du weißt, dass ich Höhenangst habe und lieber direkt von dir getragen werde. Nein, von Freiflug, bis mich deine Hand fängt, halte ich nicht viel." Da hat man schon so viel mit Gott erlebt, sogar das Wunder trotz Chemotherapie ein gesundes Kind zur Welt zu bringen und das reicht mir doch nicht, dass ich angstfrei in die folgende Tage gehe. Operation und Strahlentherapie mit Unterbringung auf einem Vierbettzimmer mit Trennung von David, das war mir zu viel. Da ist schon so manche Träne geflossen! 

04.08 - 12.08.

Die folgenden Tage fasse ich mit Schlagworten zusammen: 

Vierbettzimmer,

Bahnhofatmosphäre durch offene Türen, 

Schreie einer senilen Patientin aus dem Flur, 

Tag und Nacht Schnarchen, 

Gefühl ausgeliefert zu sein, 

Harnwegsentzündung, 

Schmerzen und Fieber, 

endlich Antibiotika, 

Schlaftablette, 

kein Kaffee, 

Bestrahlung, 

schnell in den OP, 

keine Lust, 

Schmerzen und viel Schlafen, 

Übelkeit, Schlafen, 

auf Hilfe angewiesen, 

Bettruhe, 

für die nächsten 5 Wochen nur Teilbelastung des rechten Beines, 

Physiotherapie, 

Gehbock und Gehhilfe, 

Fahrdienst zur Strahlenklinik, 

Sehnsucht nach Martin und David, 

viele unterschiedliche Menschen kennen lernen und in ihrer Eigenart schätzen lernen, 

Besuch, 

Warten auf das Ergebnis, 

ein Enchondrom (gutartiger Tumor), 

bitte um möglichst schnelle Entlassung 

- endlich zu Hause!!!!!!!! 

Ja, jetzt bin ich zu Hause. Natürlich geht mit zwei Krücken alles etwas schwieriger. Die Freude, dass es jetzt vermutlich ein gutartiger Tumor ist -  neben der histologischen Untersuchung des Hauses steht noch ein weiteres Ergebnis zur Bestätigung aus, ist groß. Kurz vor der OP hatte ich wirklich Angst, es nicht zu schaffen und einfach mit all den Anforderungen überfordert zu sein und Angst, endgültig Abschied nehmen zu müssen. Dabei wollte doch alles in mir einfach zu Hause sein bei den Menschen, die ich liebe und natürlich ein kleines Baby versorgen, das seine Mutter doch so dringend braucht. Jetzt bin ich daheim, aber nicht frei in meinen Bewegungen. Deshalb bin ich froh, dass meine Mama hier ist und mir hilft und so manche Freundin und Nachbarin ihre Hilfe uns angeboten hat. Morgens werde ich mit dem Taxi zur Strahlentherapie gebracht. In der Zeit versorgt Mama David. Simon und Pia sind aus dem Urlaub zurück, aber zur Zeit haben sie Freude an einem Film, den sie gemeinsam drehen. Somit sind sie tagsüber nicht da. Morgen wird eine Haushilfe wieder kommen. So langsam wird sich also bei uns wieder eine Regelmäßigkeit einfinden und ein Rhythmus. Darauf freue ich mich und bin dankbar, dass es mir trotz der vielen Eingriffe doch einigermaßen gut geht. Am meisten bin ich aber froh, im Knochen keine Metastase zu haben.

David gedeiht prächtig: er ist nach wie vor ein "ruhiges" Kind, wiegt jetzt ca. 3000 gr und sieht jetzt rund um seinen errechneten Geburtstermin nicht mehr so ganz wie ein Frühchen aus.
Ende August

Mittlerweile ist es gar nicht mehr so einfach; Tagebuch zu schreiben. Mein Tagesablauf wurde in den letzten Wochen  fremdbestimmt. Einmal fehlte mir durch die tägliche Strahlentherapie in der Woche der Vormittag. Dazu kam natürlich David mit den unterbrochenen Nächten, obwohl er auch da vollwaschbar und pflegeleicht ist, denn er meldet sich im Schnitt nur einmal nachts gegen 4 Uhr; Mitternacht und  6 Uhr morgens zähle ich nicht mit. Es war eine Zeit, in der wir uns als Familie wieder einfinden mussten mit dem Schulalltag, Babyalltag, Arbeitsalltag uns einer Regina auf Krücken , mit Schmerzen und einer bleiernden Müdigkeit.  Natürlich habe ich in der Zeit viel Hilfe im Haushalt benötigt Zuerst ist Mama gekommen. Für sie war es wunderbar, David kennenzulernen und mit ihm Freundschaft zu schliessen. Auf der anderen Seite war es für sie einfach zu anstrengend, sich in ihrem Alter in einem fremden Haushalt Überblick zu verschaffen und diesen Haushalt auch zu bewältigen. Ich selber saß auf dem Sofa und war unzufrieden mit den Schmerzen meiner schlechten Mobilität und dem Fakt meiner Mutter sagen zu müssen, was sie bitte tun soll. Eigentlich brauchte ich einfach viel Ruhe. Mama spürte meine Unzufriedenheit und konnte sie nicht richtig einordnen, denn nicht alles war auf sie gemünzt, sondern schlichtweg auf die Tatsache meines Zustands, so wie es ist. Ausserdem war da immer noch das Warten auf die endgültige Bestätigung eines Enchondroms aus Hamburg. 4 Wochen musste ich darauf warten! Dann kam endlich die Bestätigung eines gutartigen Tumors. In der Woche , als Mama da war, nahm ich wieder Kontakt mit dem Pflegedienst auf. Zuerst kam eine ältere Dame, die wir auch schon von früher gut kannten. Sie hatte durch Mamas Anwesenheit sehr gut die Gelegenheit mit David Freundschaft zu schließen und sie verschaffte sich auch schnell einen Überblick. Außerdem war sie Weltmeisterin im Bügeln von Wäschebergen, was uns ausserordentlich half. So konnte ich also beruhigt ohne David zur Strahlentherapie fahren und ihr David überlassen. 

Nach einer Woche kam sie aber nicht wie abgesprochen um 8.30 Uhr. Ich wartete also bis 9.00 Uhr und ging dann schnell ins Bad. Glücklicherweise schlief David. Um 9.15 machte ich mir ernsthafte Sorgen und rief beim Pflegedienst an. Am Telefon teilte man mir dann auf meine Nachfrage mit, dass jetzt eine andere Dame kommt und gegen 9.30 da ist. Man wollte mir auch nicht erklären, warum unsere liebe ältere Dame nicht kommt, die mir noch am Vortag freudestrahlend versichert hatte, die ganze Woche zu kommen. Man möge sich meine Gefühle vorstellen. Außer mir und sehr verärgert fragte ich, ob denn mein Kind eine Ware sei, welche ich im Schnellmarsch einer anderen Frau einfach so überlasse ohne die Möglichkeit zu prüfen, ob sie mit David und David mit ihr zurecht kommt. Daraufhin wurde mir gesagt, dass die Dame ja auch Kinder gehabt hätte und das schon passen würde. Wütend legte ich den Hörer auf und versuchte eine liebe Nachbarin zu bekommen, denn  die Zeit drängte, da um 10 Uhr spätestens das Taxi kam. Irmi war zuerst nicht zu erreichen, da sie im Bad war. Während ich David mit dem Taxifahrer in das Taxi packte, rief sie an und konnte auch sofort einspringen. Ihr war David schon vertraut. Beruhigt gab ich ihr David und fuhr los. Erst dann kam G.  (10.05 Uhr) vom ambulanten Krankenpflegedienst und im Vorbeimarsch sagte ich ihr, wie verärgert ich über diese Regelung sei, da sie aber schon früher im Haus geholfen hat, gerne die anfallende Arbeit machen kann. David ist durch eine Nachbarin versorgt. Meinen Blutdruck hat man glücklicherweise zu diesem Zeitpunkt nicht gemessen, aber gesundheitsförderlich war das alles nicht. G. ist dann eine Woche gekommen. Mir hat die Nachbarin mit David geholfen und ich konnte G. schrittweise erklären, wie David versorgt wird. 

Nach dieser Woche kam dann wieder einen neue Kraft. T. kommt aus Russland und hat selbst 3 Kinder, wobei das jüngste Kind 2 Jahre alt ist. T. wurde noch von  unserer Wahloma  eingeführt und David hat sie auch schnell akzeptiert (er hat sie angelächelt und sich sofort an sie gekuschelt). Mit T. habe ich schnell Freundschaft geschlossen. Sie hat für uns russisch gekocht und David gekuschelt. Pia hatte dass Glück von ihrer ältesten Tochter schöne Kleidung zu bekommen, aus die sie herausgewachsen ist. T. hat Simon und Pia sehr verwöhnt, weil sie ihr Zimmer vorbildlich aufgeräumte (eigentlich sollen sie das selber). Sicherlich werden beide sie in den kommenden Wochen vermissen, denn vorerst ist mit dem 30.09. meine Haushaltshilfe von der Krankenkasse ausgelaufen. Mal schauen wer kommt, wenn ich meine Chemo wieder bekomme. Mit diesen Wechseln konnte ich sehr schlecht umgehen. Ich war auf die Hilfe dieser Hilfsorganisation angewiesen und empfand durch die Wechsel, besonders den ohne Information, eine gewisse Willkür. Wie mag es nur den Menschen gehen, die auch noch gewaschen und gepflegt werden müssen? Ausgeliefert sein, das ist das richtige Gefühl. 

Die Strahlentherapie hat mir viel Kraft genommen. Nach der 15. Bestrahlung wurde es langsam schmerzhaft, obwohl sich meine Hautverbrennungen im Rahmen hielten, denn die Haut war an keiner Stelle offen. Zeitweise musste ich nachts den Arm hoch lagern, denn ich konnte sonst die Finger nicht bewegen. Vermutlich war da eine Wasseransammlung in den Gelenken. Dazu kamen Schmerzen im Oberarm, so dass ich zuletzt den Arm kaum hochheben konnte. Irgendwie ging aber alles. Täglich sich dem Problem der Krebserkrankung stellen war eigentlich am schwersten, denn ich musste in die zum Teil schweigenden und traurigen Gesichter der anderen Patienten sehen. Ausnahmen gab es auch, aber wenige. Eine fröhliche Frau half sich mit der Antroposophie nach R. Steiner. Sie fiel sofort auf. Auch Nichtchristen können eine positive Ausstrahlung haben! Das muss man einfach mal so stehen lassen. Wir Christen sollten gerade in so Situationen viel fröhlicher aussehen, weil wir am meisten dazu Grund haben. Da fällt mir ein toller Satz ein, den ich gelesen habe. Er könnte aber auch von mir sein, ist aber von Elke Werner, die auch eine Krebserkrankung gehabt hat: "Gott arbeitet nicht an unserem persönlichen Glücksfaktor, sondern er arbeitet an uns mit Ewigkeitsperspektive." Diesen Satz sollte man ruhig auswendig können.

Zur Strahlentherapie wurde ich täglich mit dem Taxi gebracht. Auf diese Art und Weise kenne ich jetzt viele Taxifahrer aus Kempen. Es war schon lustig und interessant, von dieser Welt mehr mitzubekommen. Irgendwie scheinen Taxifahrer besonders individuell zu sein. Auf jeden Fall mag ich diesen Menschenschlag, wenn man ihn so überhaupt bezeichnen kann. Am Mittwoch vor 24 Tagen hatte ich meine 30 und letzte Bestrahlung. Zum Abschied schenkte ich dem Personal ein Buch das Emmanuel Schmitt geschrieben hat. Es heisst " Oskar und die Dame in rosa" und handelt von einem 10 jährigen Jungen , der unheilbar an Krebs erkrankt ist. Die Ärzte stellten fest, dass er nur noch 12 Tage zu leben hat und er hörte es heimlich, als es seinen Eltern mitgeteilt wurde. Schlimm war für Oskar weniger die Tatsache sterben zu müssen, als dass die Ärzte und besonders seine Eltern nicht mit ihm darüber reden konnten. Nur eine Frau sprach mit ihm und die war vom Besuchsdienst. Bei uns sind es die grünen Damen. In Frankreich haben sie wohl einen rosa Kittel und so wurde diese Frau für Oskar Oma rosa. Sie sprach mit Oskar über seine Probleme und gab ihm den Rat, jeden Tag als ein Lebensjahrzehnt anzusehen. Der zweite Rat war, doch mal Gott Briefe zu schreiben und ihn persönlich einzuladen. Nach anfänglichem Zögern tat es Oskar und so entstanden ehrliche Briefe an Gott, die seine letzten Tage und somit Lebensjahrzehnte schilderten. Oskar wurde tatsächlich immer reifer und auch müder und hatte Frieden mit Gott, seinen Eltern und den Ärzten. Dieses Buch ist echt lesenswert und an einem Abend locker ausgelesen. Beate hatte es mir geschenkt und ich empfehle es weiter. Zur Zeit ist mein Buch auch verliehen und scheint viel Gesprächstoff in einer Familie zu geben, wo der Vater im Sterben liegt und keiner darüber reden möchte. 

14.9.

David wiegt jetzt schon 4080 gr und macht einen properen Eindruck.

Nachdem ich meine letzte Bestrahlung hatte, machte ich mit Beate und Petra einen Ausflug nach Rees, wo es einen Dekoladen mit besonders preiswerten Artikel gibt. Das hat Spass gemacht.  So ganz ohne Panne verlief für mich der Tag dann doch nicht, weil ich für David zwar an Milch und Flasche gedacht hatte, aber der Sauger wohl auf der Strecke blieb, so dass in einem fremden Ort eine Drogerie gesucht werden musste. Aber auch das klappte, denn unser Sohn ist ja vollwaschbar und pflegeleicht. Irgendwie hat es Spass gemacht, den Tag mit einer besonderen Aktion zu feiern. Nach Abschluss der Strahlentherapie sind meine Kräfte stetig mehr geworden, auch mein Bein wurde kräftiger, so dass ich jetzt doch größtenteils ohne Gehilfe zurecht komme. Das hebt die Laune! Die Laune gedrückt wurde dann durch das Festlegen der weiteren Chemotherapien und dem Schemata. Tatsächlich hat man sich jetzt für Taxane und Epirubicin entschieden (ET- Chemotherapie) und zwar dreimal im dreiwöchigem Abstand. Nach einigem Hin und Her habe ich mich für Freitags entschieden und Ute wird auf David in der Zeit aufpassen. Leider kann Beate dann nicht mitkommen. 

Bei dieser Chemotherapie wird noch zusätzlich in Tablettenform Cortison gegeben und begreiflicherweise frage ich mich, wie sich das auf meine Pfunde auswirken wird, die eh noch viel zu viele sind.

Eine Kraftaktion war für mich in der letzten Woche der Besuch bei Dr. Gunther Rogmanns. Das heiß zu Fuß mit dem Kinderwagen zum Bahnhof, in den Zug kommen, aus dem Zug kommen, mit dem Kinderwagen die Treppe runter kommen und dabei selber trotz Gehbehinderung nicht fallen und dann weiter zu Fuß in die Praxis. Natürlich auch noch in gleicher Weise zurück, wobei ich da in Kempen an der Eisdiele stoppte und dort David die Flasche gab. Am Abend war ich echt platt, körperlich und seelisch. Gunther klärte mich über die Therapie und Gründe auf. Das meiste wusste ich, aber es half, noch mehr Klarheit zu bekommen. Neu war für mich, dass es sinnvoll ist, bei mir eine Hormontherapie durchzuführen, obwohl mein Tumor Hormonrezeptorstatus negativ hat. Durch diese Therapie würde die hormonelle Produktion meiner Eierstöcke unterbunden, mit anderen Worten, ich würde in die bzw. nach die Wechseljahre abrupt geschickt, d.h. keine Menstruation mehr, Wechseljahrsbeschwerden (?), Osteoporoseprobleme vermutlich viel früher als bei anderen Frauen und einen deutlich herabgesetzten Stoffwechsel , also eine hormonelle künstliche Alterung.

Auf dem Heimweg fing mein Kopf plötzlich an zu rattern. Gestern noch ein Kind bekommen und heute schon die Wechseljahre im Schnellverfahren! Wie viel beeinflussen meine Hormone meine Persönlichkeit? Was bedeutet es für unsere Ehe? Wie kriege ich die vielen Kilos runter, wenn dann der Stoffwechsel noch mehr runtergefahren wird und  Disziplin beim Essen nicht gerade meine Stärke ist? Traurigkeit machte sich in mir breit. Das Gefühl, dass es mir zu viel wird. Die Veränderungen der Chemo werden durch den Haarverlust schon hart sein. Bin ich nach Chemotherapie und Hormontherapie überhaupt noch ich selber? Wie weit soll man mir dem Ziel der Lebenserhaltung gehen, wenn man sich dann total verändert? Das Gefühl, es wird mir zu viel und ich will das Alles an Veränderungen nicht machte sich breit. Traurigkeit kam und die Tränen liefen nur noch so. Martin konnte damit schlecht umgehen und Simon, der mitbekam, wie ich weinte, hatte die Frage, ob er es schuld sei. Am nächsten Tag weinte ich weiter. Ich fragte mich, was ich einer Freundin in so einer Situation raten würde. Meine eigenen Ratschläge halfen mir aber nicht weiter, aber das Gespräch mit meiner Freundin Petra tröstete. Ich stand vor dem Spiegel und fragte mich: "Wer bin ich? Wer werde ich sein?" Von Mut konnte keine Rede sein sondern vom Thema "Selbstannahme". Offensichtlich ist dies ein weites Arbeitsfeld für mich. Schliesslich rief ich in der Praxis noch einmal an und bat um Rückruf. Wir redete noch einmal über die Hormontherapie und Gunther konnte gut akzeptieren, dass ich diese Therapie erst einmal nicht will. Sein Verständnis tröstete mich und viele schwere Steine fielen erst einmal von meiner Seele. Er will sich noch einmal schlau machen, wie der Pathologen meinen Befund einschätzt und was er rät. Ich habe erst einmal Pause bzw. nur Chemotherapie in der kommenden Woche. 

29.9.

Morgen aber am Freitag, den 30.9 werden wir direkt nach der Schule mit den Kindern bis Mittwoch in die Eifel fahren und dort endlich einmal  gemeinsam Ferien haben. Darauf freue ich mich riesig.  Dann muss ich am Donnerstag zur Blutabnahme in die Klinik und am Freitag, den 07.10. ist es dann mit der ersten Chemo schon so weit. Da es mein Kopf  bzw. Ratio versteht, dass noch Chemotherapie erforderlich ist aber meine Seele nicht will, bin ich noch in einem persönlichem Arbeitsfeld. Jetzt beginnt noch einmal ein Prozess, sich der Krankheit zu stellen. Diesmal geht es bei der Chemotherapie nur um mich alleine. Meine Gedanken brauchen nicht mehr um ein Baby in mir zu kreisen. Das hat es mit Gottes Hilfe geschafft. Ich mache noch die Ehrenrunde und frage mich, was jetzt Gottes Ziel dabei mit mir ist. Auf jeden Fall muss  mich mir und den Veränderungen an mir stellen (Selbstannahme als Frau nach all den Maßnahmen am mir) und Gottes Plan. Eigentlich müsste ich mit mehr Ruhe und Gelassenheit, nach all dem, was ich an Wunder erlebt habe, in diese Runde gehen. Wir werden sehen, wie es weiter geht.
An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal durch die viele Hilfe bedanken, die wir durch Gebet, praktische Hilfe, liebevoller Post, schönen Geschenken für David, mutmachenden Büchern für mich und auch finanzieller Hilfe erfahren. Zum Beispiel wurde uns von vielen Mitarbeiterinnen vom Frühstücks -Treffen für Frauen Geld für einen Trockener geschenkt. Das Geld hat tatsächlich für einen Trockner gereicht und erleichtert mir die Arbeit ungeheuer. Mir wurde ein Anhänger fürs Fahrrad geliehen u.s.w. auch das müsste ich einmal aufschreiben, denn auch darin zeigt sich so viel Liebe, wofür ich mich einfach nur bedanken kann ohne jemals die Perspektive zu haben, es annähernd zurück zu geben, aber das ist bei Liebe ja auch nicht das Ziel.

Noch einmal: DANKE!!!!!!!

Zwischen-
gedanken

Mittlerweilehabe ich schon 2 Chemotherapien von dreien abgeschlossen und ich muss sagen, dass es kein Zuckerschlecken ist, aber alles der Reihe nach. Als ich mit David schwanger war, drehten sich meine Gedanken vorwiegend um ihn, dass er alles gut verkraftet und Gott hat schützend seine Hände über sein Leben gehalten. All das war schon ein langer Weg und jetzt hat man noch einen wichtigen Teil vor sich und zwar im Kampf für sich alleine.  Psychisch ging es mir bei dem Gedanken "wieder zur Chemotherapie zu gehen" gar nicht gut, zumal mir bewusst war, dass diese Chemo härter ist. Warum mache ich das? Ist das wirklich notwendig?

Was bleibt von mir, der früheren Person übrig, wenn das alles abgeschlossen ist? Kann man mich mit all den Veränderunge überhaupt noch lieb haben? All meine Fragen kann man eigentlich mit einem einzigem Wort beschreiben: SELBSTANNAHME

Da sind Schweissausbrüche bei geringster oder keiner Anstrengung im ausgeprägtem Maß (das Gefühl, dass das Deo versagt). Die Figur ist nicht nur moppelich, sondern dick und bislang sagte die Waage nicht Gutes, die Haut teilweise noch durch die Strahlentherapie verbrannt, die Haare schon lange nicht mehr das, was sie mal waren und (bitte nicht lachen) und jetzt weiß ich, was Hämorrhoiden sind, dazu kommen noch Beschwerden beim Gehen. Ich könnte die Liste noch länger machen. Was bleibt also von mir, der weiblichen und womöglich attraktiven Regina übrig? Viele mögen jetzt mit dem Kopf schütteln, aber es waren und sind zum Teil noch meine Gedanken, also mein Arbeitsfeld mit Gott. Mit solchen Gefühlen geht man nicht gerne zur Chemotherapie, weil davon die genannten Punkte nicht besser werden.

Hier wird aber auch deutlich, worum es geht, "das nackte Überleben" und nichts anderes. Krebs ist ein echter Feind, der dich zerstören will und so oder so bleibt im Kampf darum viel von einem selbst auf der Strecke. Wie gut, wenn man dann Familie hat und Freundinnen, die einen echt lieb haben, mehr als ich mich vielleicht selbst im Moment. Irgendwas muss also dann an mir ja doch dran sein, trotz all der genannten Punkte, etwas, was  bleibt und viel tiefer geht, etwas, was fehlen würde, wenn ich nicht da wäre. 

Wieviel will ich also als Therapiemaßnahmen bejahen und mitmachen und ab welchem Punkt lehne ich therapeutische Schritte ab? Wieviel bedeutet mir Lebensqualität und wie wichtig ist mir Lebenslänge? Was ist für meine Familie wichtiger? Vielleicht kann man als Aussenstehender diese Fragen viel leichter beantworten als eine direkt Betroffene. Manchmal habe ich versucht, Abstand zu meiner Situation zu bekommen, indem ich mir vorstellte, meine beste Freundin zu sein, der ich einen guten Rat geben will. Ein wenig hat es mir geholfen, aber nicht wirklich. Mir selber war auf jeden Fall klar, dass wegen dem Rezidiv noch eine weitere Chemotherapie erforderlich ist, aber ist auch eine Hormontherapie sinnvoll? Medizinisch kann man unterschiedlicher Auffassung sein, so dass Erfahrungswerte ausschlaggebend sind. Viele Tumore werden durch Hormone noch gefördert und ohne das Ausschalten meiner eigenen weiblichen Hormonproduktion besteht die Gefahr, dass die Chemotherapie bremst, aber nicht verhindert und sich dann später erneut Tumore bilden. Andererseits ist es aber Gott, der meine Lebenslänge festlegt und schliesslich war mein Tumor doch hormonunabhängig (ist meistens bei Schwangeren und kann einfach bedeuten, dass die Rezeptoren dafür durch die Schwangerschaft blockiert waren). Warum sich also noch künstlich älter machen lassen? 

Lange habe ich mich gegen diese Maßnahme gesperrt, aber ich habe mir auch viele unangenehme Fragen gestellt. Natürlich ist mein Leben in Gottes Hand, aber Gott hat uns auch Entscheidungsfreiheiten gegeben und Verantwortung. Ich habe viel dafür getan, dass David lebt. Tue ich auch alles dafür, mich ihm als Mutter so lange wie möglich zu erhalten? Er hat ein Recht auf seine Mutter! Letztendlich war diese Frage an mich selbst trotz vieler eigener Bedenken ausschlaggebend, auch die Hormontherapie anzugehen. Leicht fällt mir das nicht, aber die Chemotherapie fällt mir auch nicht leicht. Es ist auch hier wieder einmal sinnvoll, die Kunst der kleinen Schritte zu praktizieren. 

 

7.10.

Die erste Chemotherapie hatte ich durch die medikamentöse Versorgung eigentlich sehr gut verkraftet. Ich schaffte sogar ohne Hilfe meinen eigenen Haushalt, was das Selbstwertgefühl ungemein steigerte. Dadurch hatte ich wieder das Gefühl, etwas zu leisten und nicht nur anderen viel Arbeit und Kosten zu machen. Ende der zweiten Woche war ich richtig stolz auf mich. Natürlich hatte ich mich die erste halbe Woche nach der Chemo schlecht und schlapp gefühlt, aber es ging irgendwie und David bemühte sich ungemein, es mir so leicht wie möglich zu machen. Schliesslich schläft der kleine Mann seit fast einem Monat schon durch! Nicht nur das, es sind im Schnitt 10 Stunden am Stück! Das ist ein wirkliches Geschenk! 

Überrascht war ich über meine Blutwerte. Ich hatte mir die Blutwerte von den Arzthelferinnen meines praktischen Arztes nur geben lassen, weil dort viel Stress war und ich dachte, dass es reicht, sie am nächsten Tag bei meinem Gyn in Krefeld zu besprechen, der mich auch onkologisch berät. "Wieder ein Wunder, oder ein Tippfehler!" dachte ich, als ich die Leukozytenzahl (weisse Blutkörperchen) von 0,8 sah (Normalbereich 4,5 - 10,5). Es stellte sich aber später heraus, dass es kein Tippfehler war, denn ich wurde von meinem Gyn. direkt in die Klinik zur weiteren Blutkontrolle geschickt . Auch hier stellte sich ein sehr niedriger Wert heraus, so dass ich mir Neutrogen spritzen musste, was die Produktion der weissen Blutkörperchen anregt. Leider ist die Spritze teuer, macht aber keinen Spass, denn man fühlt sich dann gar nicht gut. Gleichzeitig gingen mir an diesem Tag auch noch die Haare aus bzw. sie hielten noch ca. eine halbe Woche. Martin musste auf meine Anordnung hin dann den Rasierer mit kürzester Einstellung nehmen, weil die Haare an jeder Stelle ausgingen und ich uns alle nicht mit Unmengen an Haaren im Essen und sonstwo weiter stressen wollte. 

Diese Maßnahme war auch sinnvoll, denn jetzt sind auch kaum noch kurze Haare auf dem Kopf vorhanden. Also mein armer Mann hatte diese Aufgabe und ich glaube, das er sich dabei gar nicht so gut fühlte. Vorher schnitt ich noch ihm und Pia die Haare. So hatte alles einen etwas spielerischen friseurhaften Charakter. Es war ein komisches Gefühl, geschoren zu werden, aber der liebevolle Blick meines Mannes war ungemein tröstend. "Du kannst dich ruhig trauen, in den Spiegel zu schauen. Es sieht gar nicht so schlimm aus. Die Flusen auf dem Kopf waren schlimmer. Vielleicht kannst du ja noch einer Punkgruppe beitreten!" sagte er. Geweint habe ich wirklich nicht. Ich war eher dankbar, dass ich so lange meine Haare hatte behalten dürfen, wenn auch ihn verkürzter Form. Eine Perücke wollte ich auch jetzt nicht nehmen und so kam das Kopftuch. Schön war die Reaktion meiner Umwelt. Simon und Pia haben das Kopftuch und die fehlenden Haare sofort akzeptiert und sind zur Normalität übergegangen. Sie haben mich genauso lieb wie vorher und keine Berührungsängste. Auch in den Geschäften reagierte man auf meine Veränderung recht freundlich. Viele gaben mir zu verstehen, dass ich das Tuch aber gut tragen kann und die Haare ja irgendwann wieder nachwachsen. Für mich selber ist morgens der Blick in den Spiegel schwierig, aber ich versuche das Beste jeden Tag aus mir zu machen und das tut mir und meinen Lieben gut.

28.10.

Zur zweiten Chemo ging ich also dann am 28. Oktober schon mit Kopftuch. Die Blutwerte waren wieder im Normbereich. Wieder nahm Ute unseren kleinen David und sie fuhr mich sogar ins Krankenhaus und holte mich dort ab, nachdem wir gemeinsam gefrühstückt hatten. Letztendlich gab es an diesem Tag viele schöne Momente. auch am darauffolgenden Tag ging es mir relativ gut. Wir bekamen an diesem Wochenende Besuch von Freunden, aber ich gönnte mir die Ruhepausen, die erforderlich waren. Erst am Montag kam für mich der Einbruch. Teilweise war ich so schlapp, dass ich David kaum die Flasche geben konnte. "Mama, ich merke doch, dass es dir nicht gut geht. Deshalb trinke ich diesmal auch nur die Hälfte. Schlafe ruhig, ich werde in der Zwischenzeit mit meiner Spieluhr reden und dann auch auf der Krabbeldecke schlafen, bis meine Geschwister aus der Schule kommen!" Wieder tat David alles, um mir diesen Umstand so leicht wie möglich zu machen. Letztendlich hatte ich den ganzen Tag nur geschlafen. Abends und am darauffolgenden Tag hatten wir noch ein Seminar in der Gemeinde und den Geburtstag unserer kleinen Nichte. Das war ganz schön anstrengend und grenzwertig. So zeigte mir diese Zeit, dass ich spätestens ab der dritten Chemo wieder eine Hilfe brauche. Falscher Stolz wäre da nicht angebracht.

Ende dieser Woche gab es dann noch einen Schrecken, denn genau im operiertem Axillarbereich bildete sich ein neuer Knubbel, verbunden mit einer leichten äusserlichen Rötung. Mittwoch abend merkte ich ihn als Pickel und am Freitag zeigte sich schon eine enorme Vergrößerung. Also rief ich bei meinem Gyn in Krefeld an, der mich sofort herzitierte zumal er an diesem Tag noch eine Fortbilduing hatte. Die Untersuchung bei ihm ergab einen entzündlichen Prozess und keinen weiteren Tumor. AUFATMEN! Nächste Woche steht wieder eine erneute Blutkontrolle an. Ich bin mal gespannt. Offensichtlich kommt mein Körper mit Entzündungen nicht so gut zurecht. Ansonsten steht in der Woche ein Frühstück mit Freundinnen an und Martins Geburtstag. Irgendwie möchte ich es ihm schön machen und warte da noch auf den genialen Einfall, ohne mich überzustrapazieren.

Irgendwie lebe ich jetzt reduzierter und doch intensiv. Im Rückblick bin ich jetzt total erstaunt, was alles in der Zeit möglich war. Heute noch waren wir in Düsseldorf bei unser Schwägerin und meine Mutter war auch da. Gestern waren wir noch bis spät in die Nacht bei Freunden in Venlo usw. 

Beim Beten kam mir ein Gedanke, an dem ich festhalten möchte. Es war so als ob Gott zu mir sagt: " Mein Kind, ich nehme viel von dir weg und es tut dir weh, aber es geschieht, damit ich dir viel von mir geben kann!" Darauf will ich vertrauen. Er wird hinzufügen. Ich bin gespannt auf die neue Regina!

18.11. Tja, da haben sich wieder viele Ereignisse aneinandergereiht. Aber langsam....Die zweite Chemo hatte ich relativ gut vertragen, wenn man von den ersten vier Tagen absieht. Ich war zuerst sehr erschöpft und musste mich viel hinlegen. Am Montag (dritter Tag nach der Chemo) lag ich aber wirklich flach. Entsprechend ging ich schon mit gemischten Gefühlen in die dritte Chemotherapie am 18. November. Die Krankenkasse hatte mir theroretisch eine Haushaltshilfe zugesichert für täglich 8 Stunden. Mittlerweile war mir klar, dass ich wieder an dem Punkt bin, tatsächlich Hilfe zu brauchen. Nun sagte aber die Organisation "Pflegen und Helfen", dass sie für mich keine Kapazität hätten und ich bitte woanders jemanden finden soll. Ich war zuerst sprachlos, denn schliesslich kannten sich von Pflegen und Helfen drei Frauen bei uns zu Hause aus und ich wollte ja nur 3-4 Stunden in der Woche Hilfe. Also versuchte ich, privat jemanden zu finden, was aber bedeutet, dass wir auch etwas zuzahlen müssen, denn wer arbeitet schon gerne für 5 Euro die Stunde (so viel gibt die Krankenkasse dazu). Durch eine Freundin fanden wir schliesslich S.,die sich am Montag (dritter Tag nach der Chemo) vorstellen wollte. An diesem Tag ging bei mir trotz Medikamente gar nichts, d.h., die Kloschüssel freute sich über mein Gesicht und die spontanen Abgaben. Dazwischen lag ich regungslos mit Kopfschmerzen auf dem Sofa. Gut, dass auch Beate da war und S.. So war David trotzdem bestens versorgt. Nachmittags ging es mir schon wieder deutlich besser, aber Simon fing jetzt an, das Bad mit seinen spontanen kopf- und powärtigen Besuchen zu erfreuen. War es bei mir jetzt die Chemo oder auch ein Magen- und Darminfekt? In der Nacht gesellte sich Martin ebenfalls zu den ständigen Badbesuchern, so dass ich am Dienstagmorgen definierte: Zwei kranke Männer, die versorgt werden müssen. Dazu ein Säugling und eine Tochter, die sich nicht anstecken sollen. Also waschen, Bad desinfizieren, Schonkost und Tee bereiten und zum Arzt wegen Medizin rennen......Ganz schön stolz war ich auf meine Leistung. Leider musste ich am Mittwoch dann doch Pia aus der Schule abholen, weil sie spontan erbrochen hatte und mir war auch schon ein wenig schummrig zumute. Glücklicherweise war Martin wieder ansprechbar, dem ich dann David in die Arme drückte. Er musste jetzt seinen Mann stehen, während mich der Frost schüttelte. Durch die starken Medikamente gegen Übelkeit musste ich aber nicht erbrechen. Erst am Freitag waren Pia und ich wieder ansprechbar, aber dann fing David ein wenig an zu fiebern. Es war also wirklich eine Woche zum Überleben. Simon fing in der darauf folgenden Woche wieder an, krank zu werden. Diesmal stellte es sich als eine doppelseitige Mittelohrentzündung heraus. Neben all diesen Dingen, war ich ganz banal froh, rechtzeitig schon die Weihnachtsdeko aufgestellt zu haben. Es beunruhigte mich aber auch eine kleine Geschwulst direkt unter meiner Narbe an der Brust, die sich genauso wie 
das Rezidiv, was ich im Sommer nach Davids Geburt hatte, anfühlte. 
Ich hatte die Ärzte schon während der letzten Chemo darauf aufmerksam gemacht, aber man fand es nicht besonders beunruhigend. Mir ließ es aber keine Ruhe und so ging ich zu meinem Gyn, nach Krefeld, der eine Sonographie durchführte. 5mm, ein Lymphknoten, den man beobachten sollte, ob er wächst. Was ist, wenn er wächst? Haben dann drei starke Chemos und 60 Gray und die Hormonbehandlung nicht genutzt? Ist es dann vorbei? Mir ließen diese Gedanken keine Ruhe, so dass ich schon eine Woche später (anstelle in 10 Tagen) wieder beim Arzt war. Es stellte sich heraus, dass der Lymphknoten etwas stärker als normal durchblutet ist und auch ein wenig gewachsen ist. Also: "Das Ding muss zur Klärung raus!" In solchen Situationen kommt dann schon Angst auf. Was hat eigentlich die ganze Tortour vorher genutzt und gibt es überhaupt etwas, was diesen Krebs stoppt? Sehr nachdenklich und traurig ging ich Richtung Klinik. Auf dem Weg dort hin bin ich zwei Bekannten begegnet. Zuerst einer früheren Arbeitskollegin und dann jemandem aus unserer Nachbarsgemeinde, den ich bat, zu beten. Alleine ging ich also nicht den Weg, denn immer wieder wurde ich aus meinen Gedanken durch diese Begegnungen herausgerissen. Im Krefelder Klinikum fand ich natürlich niemanden an der Anmeldung, so dass ich mich einfach mal auf Station 2 meldete. Dort redete ein Arzt mit mir, dessen Name mir nicht mehr einfällt. Er sagte mir, dass ich ja kein akuter Notfall sei (stimmt, geblutet habe ich nicht aus allen Poren). Damit wollte er mir erklären, dass auch meine Aufnahme geplant werden muss, denn schliesslich sei es der dritte Eingriff an der Brust. Das muss wohl vorüberlegt und voruntersucht werden, denn eventuell ist ja auch eine Ablatio (Brustamputation) sinnvoll, um endlich Ruhe in die Geschichte zu bekommen. Mir wurde ganz flau zumute. Wir einigten uns darauf, dass ich morgen telefonisch bei der Anmeldung melde, dessen Telefonnummer mir gegeben wurde. 

So fuhr ich also mit dem Zug nach Hause. Mir gingen viele Gedanken durch den Kopf: "Vermutlich in 2 Tagen Aufnahme, Dauer ist ungewiss, also heute möglichst viele Geschenke für Weihnachten kaufen! Wieviele Weihnachtsfeste werde ich noch erleben? Was kann ich meinen Kindern noch prägendes mitgeben? Habe ich mit meiner Ahnung recht? Was plant Gott mir mir?" Mitten in diesen Gedanken begegnete mir Astrid aus unserer letzten Gemeinde in Krefeld: Wir hatten ein sehr kurzes (es regnete), aber tiefgehendes Gespräch. Zu guter letzt gab sie mir ihren Regenschirm! So begleitet einen Gott! Endlich kam ich bei Ute an. Ich war so traurig, ängstlich und erschöpft. Wie wird mich Martin nach einer Ablatio finden und hat das überhaupt Sinn. Ute ist eine gute und ehrliche Freundin. Das hat irgendwie gut getan. Zuhause sagte ich die Weihnachtsfeiern für diesen und den morgigen Tag ab. Mir war nicht danach. Lange redete ich noch mit Martin. Den nächsten Tag funktionierte ich eigentlich nur noch, Krankengymnastik für mich und David, Schlafanzüge für das KK kaufen und letzte Besorgungen. Abends gönnte ich mir aber einen schöne Zeit mit Martin. Wir gingen Essen und hatten gute Gespräche, also einen verliebten Abend. 

7.12. Schnell war also Mittwoch und Aufnahme. Martin hatte sich frei genommen und Ute hatte sich auch nochmals bereit erklärt, David zeitweise zu nehmen. Die Aufnahme dauerte lange. Glücklicherweise ist Martin schon nach Hause gefahren. Ich bekam ein schönes Zimmer auf der F3 und eine sehr nette Zimmernachbarin, Lisa aus China. Sie ist ein absolutes Sprachwunder. Es machte Freude, sie mit ihrer Familie sprechen zu erleben und dann redete sie mit Freunden und Freundinnen auch noch teilweise im Wechsel akzentfrei Deutsch und Englisch. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden und wir haben beiden den gleichen trockenen Humor. Das hat Spaß gemacht. Am Mittwoch und am Donnerstag gab es nur Untersuchungen. Ich machte meinen Rundlauf als OP-Vorbereitung. Zusätzlich wurde noch ein MNR der Brust angemeldet, was am Donnerstag durchgeführt wurde. Das Gespräch mit dem Professor Baltzer war mutmachend. Er freute sich, auch meinen Mann und David zu sehen. Er sagte mir, dass er ein gutes Gefühl hat und richtete mich damit auf. Ich beschloss einfach, mal seinem und nicht meinem Gefühl zu trauen. Durch diesen Beschluss und der Anwesenheit von Lisa verbesserte sich mein Stimmungsbild deutlich. Dann kam Freitag, der OP-Tag. recht überraschend wurde ich doch sehr früh operiert. Ich weiss noch, dass im OP eine OP-Schwester geprüft wurde, die sehr nervös war. Durch die rosaroten Pillen war meine Laune sehr gut und bis zur Narkose wurde viel gelacht. Nach der OP sah ich Prof. Baltzer, der mich um eine Kopie meiner Homepage bat und ich fragte ihn, ob der Knoten wieder grau war, was er bejahte. Das habe ich merkwürdigerweise gut behalten. Beate wartete im Zimmer auf mich. Danach schlief ich ganz lange und die Erinnerungen sind schwammig. Martin war mit Pia auch noch da. 
10.12. Samstag Morgen ging dann gegen 10 Uhr das Telefon. Martin war am Apparat: "Ich habe keine gute Nachricht für dich. Mein Vater ist diese Nacht gestorben. Ich fahre jetzt zu meiner Mutter und bringe David zu Beate." Das war Adrenalinschock pur! Es ist schwierig, die Gefühle in diesem Moment zu formulieren. Wir hatten zu meinem Schwiegervater ein eher höflich distanziertes Verhältnis. Gerade aber im letztem Gespräch mit Martin am Freitag Abend zeigte er großes Interesse an uns und wollte eine geplante Familienfeier wegen meines Krankenhausaufenhaltes und auch weil er sich schon nicht gut fühlte als Familienoberhaupt absagen. Genau in dieser Nacht stirbt er dann plötzlich und unerwartet gegen 3 Uhr. Martins Vater ist nicht mehr da! Unsere Kinder haben keinen Großvater mehr! Veränderungen stehen an, die wir zur Zeit nicht übersehen können. Vermutlich wird Martins Mutter sich wohnlich verändern wollen. Planungen der Beerdigung stehen an und die soeben erlebte Operation scheint in weite Ferne gerückt. Mehr will ich dazu nicht schreiben.......Nachmittags kam Beate mit Simon und Pia vorbei. Das tat gut. Sie wollte auch mit Immi, einer gemeinsamen Freundin, bei uns klar Schiff machen. So viel Liebes und Gutes! Sonntags durfte ich dann schon nach dem Frühstück nach Hause gehen. Herzlichst verabschiedete ich mich von Lisa. Dann ging es nach einem Kurzaufenthalt zu Hause zu meiner Schwiegermutter. Dort waren auch zwei Brüder meines Schwiegervaters mit ihren Frauen gekommen. Erinnerungen wurden ausgetauscht,. überlegt und gemeinsam ein Stück getrauert. Meine Schwiegermutter hatte so langsam den ersten Schock überwunden, aber da kommt noch viel. Ansonsten galt es in der kommende Woche den Geschehnissen zu begegnen. Am Montag blieb Martin noch zu Hause und erledigte viel für die Beerdigung. Dienstags war ich mit mir und David zur Krankengymnastik gegangen und ich hatte Luft für Erledigungen. 
14.12. Mittwochs wurde mir der histologische Befund der Operation mitgeteilt. Wieder bösartig - grading 3! Lange telefonierte ich mit dem Arzt. Er bot uns an, besser mit ihm persönlich zu sprechen. Am Donnerstag hatten wir dann das Gespräch. Martin nahm sich dazu extra frei. Ich kürze das Gespräch ab. Man vermutet, dass mir eher in einer Salami-Taktik als in einem Rutsch alle befallenen Lymphknoten entfernt wurden. Heißt auf gut deutsch, dass zwei befallenen Lymphknoten bei der ersten OP nicht entdeckt wurden. Einer enttarnte sich dann im Sommer und der andere erst jetzt. Warum die Strahlentherapie nicht gerade in diesem Gebiet eine lokale Rezidivbildung verhindert hat, weiß man nicht, aber in Einzelfällen käme so etwas schon mal vor. Vermutlich kann man mir auch keine weitere Strahlentherapie geben, ohne mir ernsthaft gesundheitlichen Schaden zuzufügen. Eine radikale Operation im Achselbereich würde bis auf eine zusätzliche Traumatisierung nichts bringen, da diesmal sehr großzügig entfernt wurde. Letztendlich bleiben als Möglichkeit nur noch ein Staging (folgt am 20.12.), um zu prüfen, ob ich schon Metastasen habe und möglichst noch vor Weihnachten eine weitere Chemotherapie. Dass man mir damit grenzwertig etwas zumutet, das weiss man, aber es gibt praktisch keine Alternative. Ich finde, dass diese Theorie hakt, aber meine Modelle waren für meine Prognose sehr schlecht, deshalb möchte keiner, dass ich Recht habe und ich auch nicht. So etwas muss man erst einmal verdauen. 
16.12. Freitags war die Beerdigung meines Schwiegervaters. Sehr viele Leute kamen schon zur Messfeier, in der viel über ihn erzählt wurde. Der Priester hatte als Impuls, dass das Verlangen meines Schwiegervaters nach schönen Bildern und Antiquitäten aus der Suche nach etwas Höherem und Vollkommenen stammt, er also Gott gesucht hat. Der Priester hat sich viel Mühe gegeben, ihm gerecht zu werden. Die Beerdigung auf dem Friedhof war stilvoll, aber unter schlechtesten Wetterbedingungen. Es stürmte und regnete sehr stark, so dass unser Trauerzug zur letzten irdischen Stätte meines Schwiegervaters etwas Unheimliches an sich hatte. Dieser Gang war besonders für meine Schwiegermutter sehr schwer und viele haben mit ihr gelitten. Sogar meine Mutti kam extra aus Düsseldorf unter diesen Wetterbedingungen. Später konnte man sich in einem italienischem Restaurant aufwärmen, aber ich finde, dass auf Beerdigungen das Essen nicht schmeckt. Trotzdem führten wir einige sehr gute Gespräche. Geschafft waren wir gegen 16 Uhr zu Hause und Martin und ich machten hintereinander vor Einbruch der Dunkelheit noch einen letzten Besuch auf dem Friedhof. Am Ende waren wir wirklich fertig. Gestern und heute hatten wir Tage der Ruhe und des Verarbeitens. Heute waren wir noch bei lieben Freunden in Erkrath. Das tat gut. Morgen geht es weiter mit Lymphdrainage und Fäden ziehen bei meinem Gyn in Krefeld. Dann reden wir noch einmal über den histologischen Befund und die Folgen für mich. Gunther hofft, dass ich noch gesund werde. Dienstags folgt das Stageing, wovon wiederum viel abhängt. Vielleicht kommt dann auch noch eine Chemo und dann noch Weihnachten.........

Viel kann man über das vergangene Jahr sagen. Ich hatte die Hoffnung, dass ich in diesem Jahr noch einen Schlussstrich unter diese Krankheit ziehen kann. Dem ist nicht so. Ich weiß nicht, was Gott mit mir vor hat und ehrlich gesagt habe ich auch Angst (so wie Jesus im Garten Gezemaneh auch Angst hatte). Aber ich will an ihm festhalten und auf ihn trauen. Mit ihm haben Martin und ich auch Wunder erlebt. Ein JA zum Leben, denn David Jonathan lebt und macht uns täglich Freude. Hoffnung bewirkt, dass wir nicht zuschanden werden (steht in der Bibel, Röm 5) und das stimmt. Die Hoffnung bewirkt, dass man der Zerstörung keinen Raum gibt und nicht aufgibt. Sie inspiriert uns und gibt neuen Mut. Jetzt ist bei mir eine Hoffnung gefragt, die immer mehr die Ewigkeit mit einbezieht. Dazu ist doch gerade Jesus geboren worden, damit er uns den Weg zum Vater frei macht. Dass wir uns auf Ihn und sein Sterben berufen können und damit der Tod für uns seinen Schrecken verliert. Also in diesem Sinne wünsche ich euch allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!

Und hier als Weihnachtsgeschenk ein Gedicht:


H alt
O ffenheit 
F reiheit
F rieden
N achdenken
U nmögliches
N euland
G laube

HOFFNUNG lässt nicht zuschanden werden                            Regina Berg (18.12.05)

 

 

... wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung.
HOFFNUNG aber lässt nicht zuschanden werden!(Römerbrief)

 

20.12. An diesem Dienstag vor Weihnachten fand das angekündigte Stageing statt, bei dem an den wichtigsten Organen geprüft wird, ob schon Metastasen im Körper festgesetzt haben. Morgens früh kam Beate schon um 7.00h, um sich um unsere drei Kinder zu kümmern. Ich sollte bereits um 7.45h in der Klinik sein, um einen Laufzettel zu bekommen. Geplant waren für diesen Tag Sonografie der inneren Organe, Knochen-Szintigramm (wozu vorher ein radioaktives Kontrastmittel gespritzt werden muss), Röntgen-Lungen-Thorax und Schädel-CT. Schon bei meiner ersten  Untersuchung (Sonografie) stellte der Arzt an der Leber einen echoarmen Raum von 3-4cm Durchmesser fest, der ein Tumor oder eine Zyste sein könnte. Dieses sollte auf jeden Fall noch durch ein MRT abgeklärt werden. Mit dieser Nachricht hatte ich nicht gerechnet. Mit entsprechend schummrigem Gefühl begegnete ich den anderen Untersuchungen. 

Zwischenzeitlich war ich noch mit Beate und David frühstücken. Insgesamt waren die Untersuchungen des Tages, wo man mir zweimal Kontrastmittel verabreicht hatte, sehr anstrengend. Besonders das Kontrastmittel für das CT ist sehr unangenehm. Es wird einem im gesamten Körper ganz heiß - fast bis zum Verbrennungsgefühl. In diesem Zustand bleibt man etwas 2 Minuten auf der Liege liegen und versucht sich nicht zu bewegen, damit die Aufnahme nicht verdorben wird. Da gehen einem schon viele Gedanken durch den Kopf. Später teilte man mir noch mit, das das MRT and der Leber am Donnerstag Vormittag gefahren werden kann. Diese Ansammlung ungünstiger Nachrichten, die lebensentscheidend für mich sind, waren psychisch sehr belastend. 

Am Mittwoch war ich bei der Krankengymnastin zur Lymphdrainage und paralel David zur "Krankengymnastik". David hat sich zur Freude der KG (und zu unserer) prächtig entwickelt. Er hinkt zwar entwicklungsmäßig noch etwas dem Durchschnitt hinterher, aber er hat in letzter Zeit deutliche Fortschritte gemacht. Rückblickend habe ich die Tage in großer Anspannung erlebt, wo ich nicht richtig abschalten konnte. 

Abends hatten uns Armin und Beate zum Chinesen eingeladen (All-you-can-eat-Buffet) - das war ein schönes gemeinsamen Mal-raus-kommen. Die Nächte selber waren nicht so gut und der Donnerstag Morgen fing schon mit Durchfall an. Es war ein Gefühl, wie vor einer Prüfung zu stehen- oder anders ausgedrückt: Heute das "Todesurteil" zu hören, auch wenn es jetzt nicht vollstreckt wird. So sagte ich es auch Beate, die sich wieder um David kümmerte und mich zum MRT in die Klinik fuhr.
Beim MRT wurde ich von einer Asiatin empfangen, die tatsächlich das "r" nicht splechen konnte und stattdessen ein "L" sprach. Wieder gab es eine Portion Kontrastmittel und ich wurde auf dem Rücken auf eine Liege festgebunden und in die Röhre geschoben.  Dort hörte ich dann die Stimme der Asiatin: "Einatmen" - "Nicht mehl atmen". Dazu immer ein knatterndes Geräusch von jeweils ca.30 Sekunden. "Die letzte Aufnahme haben sie leidel velatmet. Wil müssen sie wiedelholen!" Zu guter Letzt wurde ich losgebunden, konnte aufstehen und mich Richtung Ausgang orientieren. Es war schon sehr anonym.
Beate war schon mit David im Foyer mit einer warmen Flasche Milch für den Kleinen, die der Portier warm gemacht hatte. Sie hatte in der Zwischenzeit noch etwas besorgt und einen Termin bei Dr. Rogmans gemacht, wo am späten Nachmittag die Untersuchungsergebnisse mitgeteilt und diskutiert werden sollten. Martin hatte sich etwas früher frei genommen, um dabei zu sein.

Um 17.15h war es dann so weit. Gunter Rogmans redete nicht lang drum rum und bestätigte die Metastisierung der Leber: Eine große Metastase mit Durchmesser 4cm und viele kleine weiteren. Deshalb ist eine Operation unsinnig und auch eine Transplantation macht wegen der schon existierenden Blutbelastung ebenfalls keinen Sinn. Später stellte sich endgültig heraus: weiterhin sind jedoch noch keine anderen Organe befallen. Mit dieser Diagnose kann aus rein med. Sicht nur noch lebensverlängernd behandelt werden. Gunther erklärte uns zwei Modelle. Nach dem ersten Modell käme für mich weniger Lebensqualität, aber mehr Lebensdauer durch eine harte 24 Stunden-Infusion heraus. Nach dem zweiten Modell sind die Infusionen (Chemotherapie) nicht so hart und dadurch besteht mehr Lebensqualität, aber die Lebensdauer verkürzt sich. Ich entschied mich für das zweite Modell und hatte heute am 28. Dezember (vor einem Jahr wurde ich an der Brust operiert) meine erste Chemotherapie (1.5 Navelbine/5-FU second-line Therapie des metastasierten Mamma Carcinoms). Gunther erklärte uns, dass voraussichtlich meine Lebenserwartung 3-4 Jahre beträgt. In 1-3% Fällen gibt es Heilung, die er persönlich aber noch nicht erlebt hat. Der Krebs sei wahrscheinlich aus meinem Körper nicht mehr heraus zu bekommen. Die Chemotherapie hat das Ziel, bestehende Metastasen zu verkleinern. Dabei bleiben meistens aber wenige Zellen resistent zurück und treiben ihr Unwesen. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, dass auch in den anderen Organen und den Knochen Metastasen auffallen. Parallel läuft entsprechend meiner Beschwerden eine Schmerztherapie. Meistens haben Frauen in meinem Alter lange eine gute Lebensqualität, bis der Körper vor der Chemo oder dem Krebs oder beidem kapituliert und sie dann relativ schnell sterben. Gunther sagte uns, dass er froh ist, dass ich Jesus Christus lieb habe und weiss, wohin ich gehen werde. Vielleicht sei die mir verbleibende Zeit meine intensivste und effektivste. Ich weinte, Martin war wie vor dem Kopf geschlagen, konnte aber noch Fragen stellen. Irgendwie hatte ich genau diese Situation befürchtet und gehofft, sie nicht erleben zu müssen. Wie überzeugt war doch Gunther, mich durchbringen zu können und wie anders war jetzt das Gespräch. Ich kann mir nichts Härteres vorstellen, als seine Kinder und den Lebenspartner so jung zurücklassen zu müssen. Sie brauchen mich doch alle auf ihre Weise und ganz besonders David! Wir alle wurden nicht gefragt und zur Zeit wissen wir nicht, ob Gott ein Wunder tun wird. Gemeinsam beteten wir. Ich will an Gott festhalten, ihn nicht loslassen, nicht verzweifeln, auch wenn ich nicht verstehe. Ich will auf ihn vertrauen und weiterhin kleine Schritte gehen. 

Danach fuhren wir zu Armin und Beate. Wir beteten und weinten zusammen. Wir waren auch traurig, wie schlecht es deren Hund Bina geht, die auch einen Tumor hat und vermutlich das neue Jahr nicht mehr erleben wird. Dann fuhren wir nach Hause. Ich war wie vor dem Kopf geschlagen, aber voller Dankbarkeit, dass David lebt und gesund ist. Egal, wie es mit mir ausgehen wird, durch David haben wir schon gewonnen. 

23.12.

 

 

Am nächsten Tag erzählte ich es den Kindern. Aufgrund ihrer Weihnachtsaufregung kam diese Nachricht gedämpft an. Ich bin dankbar, dass sie den Umfang dieser Nachricht genau so wie wir erst schrittweise begreifen werden. Auch ich musste die Entscheidung treffen, Weihnachten vorzubereiten und einzukaufen. Dabei besuchte ich noch Ute und auch Birgit erfuhren die Nachricht. Auch Mutti sagte ich es am Telefon. Oh, ich Weihnachtsverderberin! An diesem Tag kamen noch Irene und Stephan, die traditionell mit uns diese Tage verbringen. Auch bei ihnen ist einiges im Umbruch. Mehr noch als im letztem Jahr zählte deshalb bei diesem Fest jeder schöner Moment als ein Geschenk, weil für und alle das nächste Jahr so schwer zu fassen ist, bis auf die Ahnung, dass es kein leichtes und einfaches Jahr wird. Am heiligen Abend packten wir mehr als zwei Stunden Geschenke aus und lachten und lachten.....Am ersten Weihnachtstag fuhren dann Irene und Stephan zu ihrer Verwandtschaft. Wir hatten bis auf dem Gottesdienstbesuch an diesem Tag kein Programm. Die Ruhe tat gut. Simon und Pia waren mit ihren Geschenken ausgesprochen zufrieden und in ihren Zimmern verschwunden. Erst am zweiten Tag bekamen wir von meiner Schwester und Mama Besuch mit unserer kleinen Nichte Katharina. Ich habe ein wenig mit Dagmar über meine Situation gesprochen, aber letztendlich müssen wir abwarten, was die Zeit bringen wird, besonders ob diese Art von Chemo die Metastasen zum Schrumpfen bringt.

28.12.

Heute war meine 10 Chemo , die in der Praxis von G. R. stattfand, und vor einem Jahr die Brustoperation. Es ist müßig darüber nachzudenken, was wäre, wenn man damals radikaler operiert hätte und wirklich alle Lymphknoten entfernt worden seien. All diese Gedanken verändern meine heutige Situation nicht. Übrigens ist über die Weihnachtstage meine OP-Naht von der letzten Operation etwas aufgegangen und ich war buchstäblich ein "Auslaufmodell" von Lymphflüssigkeit. Deshalb bat ich  Gunther, diese Naht zuzunähen. Martin sollte mir dabei etwas moralischen Beistand leisten, bis er plötzlich und unerwartet kolabierte, was er bei den Geburten der Kinder nicht getan hat. Mir zeigte sein Umkippen, wie sehr ihn unsere ganze Situation incl. Tod des Vaters im Unterbewusstsein belastet und  mitnimmt.

Ich hoffe, dass ich die Chemo gut vertragen werde und es mir morgen gut geht. Sylvester verbringen wir mit Freunden bei Fondue. So stehe ich nun zwischen den Jahren und strecke meine Hände neu nach Gott aus.

Anfang des Jahres schrieb ich in mein Tagebuch:

Was wäre wenn............

schlimmster Fall: Das Baby stirbt und ich auch!

zweitschlimmster Fall: Ich lebe und das Baby stirbt! Trauer und Schreien!

drittschlimmster Fall: Ich sterbe und das Baby lebt!

Ich wünsche mir, dass unser drittes Kind tief im inneren weiß, dass es von mir absolut bejaht und geliebt ist und ich alles Mögliche gegeben habe, damit es leben kann. Gott hat einen Plan, dem ich mich beuge. Ich wünsche mir für Martin und die Kinder Kraft !

viertschlimmster Fall: Das Baby ist behindert! 

Auch dann hätte ich die Gewissheit, dass es von Gott bejaht ist und einen wichtigen Auftrag hat!

bester Fall: Gott verherrlicht sich! Alle leben und bleiben gesund! JUBEL!

LIFE FOR TWO!

Januar 2006
Ich weiß gar nicht so recht, was ich über diesen Monat schreiben soll. Am Anfang war der Schlag gegen den Kopf mit nachhaltiger Dämmung und Schockzustand vorhanden. Metastasen! Aus medizinischer Sicht keine Heilung mehr zu erwarten! Schmerzhaftes Abschiednehmen im Kopf mit den dazu verbunden Tränen, möglichst wenn keiner da ist. Was ist zu tun? Wie helfe ich meinem Mann und meinen Kindern am besten? Wird Martin noch einmal eine Frau finden? (Eigentlich möchte ich dieser Frau die Augen auskratzen, aber uneigentlich wünsche ich Martin, dass er nicht alleine bleibt, also "Danke" an diese Frau!) Neben all diesen Gedanken kommen Schmerzen im Rückenbereich zwischen den Schulterblättern, die immer stärker werden und sich nur mit den mir verordneten Schmerzmitteln bedingt dämmen lassen. Vermutlich sind es Tumorschmerzen. Ich spüre also etwas, was mich töten wird bzw. beabsichtigt und das auf hinterhältigste Art und Weise! Solche Schmerzen müssen erst einmal verarbeitet werden, denn sie sind etwas ganz anderes, als Kopfschmerzen oder Wundschmerzen! Wieder einmal ist Kopfarbeit gefragt, damit meine ich, vieles möglichst rational anzugehen, mich in der dritten Person zu betrachten, damit Panikgefühle keinen Raum bekommen, denn sie würden mir und auch den Menschen, die ich liebe, nur das Leben schwer machen. So war dieser Monat davon geprägt zur Chemotherapie zu gehen, Krankengymnastik für mich und David zu haben und auch Lymphdrainage. Immi, eine Freundin, hat sich dazu bereit erklärt, mir im Haushalt zu helfen. Dadurch hat sich bei mir viel entspannt. Ich bin total froh, dass Immi mir trotz des kläglichen Krankenkassenlohnes von 5 Euro die Stunde hilft und freue mich immer sehr, wenn sie kommt. Meistens hilft sie mir 2 mal in der Woche. Diese Zeit wird von schönen Gesprächen mir ihr bereichert. 

Beate begleitet mich zur Chemotherapie bei Dr. Gunther Rogmans in der Praxis. Gunther ist damit einverstanden, dass David mitkommt und von Beate betreut wird. So werden wir beide nicht getrennt, was ich sehr schön finde. Während die Chemo in mich hinein lief, hatten wir oft gute Gespräche. Die Atmosphäre ist in der Praxis auch sehr schön.. Beate und ich haben die Zeit in der Praxis genutzt, um eine Frauengesprächsreihe auszuarbeiten, wozu wir unsere Freundinnen einladen. Martin war so toll und hat uns dazu Einladungen entworfen, die einfach spitze sind. Wir nennen die Reihe "Frauen schauen in den Spiegel" oder auch einfach "Spiegelkreis". Am Montag, den 13 Februar geht es los! Zugrunde liegt uns Gesprächsmaterial über Frauen aus dem alten Testament aus dem Musical "Liebestoll". Wir haben uns erst einmal für Sara, Batseba und Eva entschieden. Niemand muss Bibelkenntnisse mitbringen. Es geht darum, sich selbst ein Stück in den Schicksalen und Verhaltensweisen dieser Frauen zu erkennen, sich auszutauschen, näher zu kommen und zu erkennen, wie Gott reagiert hat. Das alles soll in schöner Atmosphäre geschehen mit anschließendem Imbiss, natürlich auf Spiegeln. Wir haben uns da noch ganz schöne Sachen ausgedacht und sind so riesig froh, dass bisher unsere Einladungen so gut angekommen sind. Zu groß soll der Kreis auch nicht werden. Wir dachten erst einmal an maximal 10 Frauen. Auf diesen Kreis freue ich mich sehr und es ist ein richtiger Lichtblick. 

Ein Lichtblick ist auch , dass mein jüngster Bruder Helmut mit seiner Frau Christina und den Kindern Amelie und Anna mit uns in den Sommerferien 14 Tage nach Schweden in den Urlaub fährt. Martin hat tagelang im Internet und Prospekten nach einem geeignetem Haus, was Komfort (kein Plumsklo oder Humustoilette im Garten bitte), Größe und Sicherheitsabstand zum See (wegen der Kinder) angeht. Endlich wurden wir findig, bzw. Martin und jetzt muss ich es nur noch bis dahin auch durchhalten. 
Schön ist auch, zu erleben, wie interessiert viele an mir sind. Ich merke es an den E-mails und den Besuchen. So ergab sich zum Beispiel auf diese Weise ein Treffen mit einer "Großen" von mir bei gemeinsamen Freunden. Christina ist eine "Große" von mir, weil sie ein Jahr über mir die Ausbildung als Orthoptistin in Köln (1987!)gemacht hat. Die "Großen" lernten immer die "Kleinen" an. Jahrelang hatten wir uns nicht gesehen, bis sich herausstellte, dass wir gemeinsame Freunde haben und so trafen wir uns dann. So werden also Kontakt aus dem letztem Jahrhundert wiederbelebt und das war einfach schön. Oder Susanne, meine erste richtige gute und beste Freundin hat mich nach langer Zeit wieder besucht. Schöne Momente sind das!
Weniger schöne Momente sind die zunehmenden Schmerzen im Rückenbereich. Vermutlich sind das Kapselschmerzen von der Leber, die einfach immer schlimmer werden. Da packt einem schon die Angst und zwischenzeitlich auch die Verzweiflung. Wächst der Tumor? Lohnt sich die Chemo überhaupt? Gibt es Alternativen zur Chemo? Werde ich in diesem Jahr schon sterben? Viele Tränen sind da geflossen und auch das Gefühl war da, anderen nur zur Last zu fallen. Das Gefühl war da, viel Liebe und Hilfe zu bekommen und nichts zurück geben zu können. Der Gedanke kam, dass es doch besser wäre, ich wäre schon gestorben und meine Familie könnte das Leben jetzt endlich ohne den Krebs planen. Verrückte und untragbare Gedanken sind es, aber sie waren doch da. 

Nein, ich bin nicht immer tapfer und gefasst. Das wäre eine Lüge. Angst vor dem Sterben (nicht dem Tod, ich weiss ja, dass Jesus den Tod überwunden hat und durch ihn der Tod seine Schrecken verloren hat) ist da und ein schrecklicher Schmerz, meine Familie allein lassen zu müssen. Manchmal wurden diese Momente auch Stunden. Gut, wenn dann Besuch kommt und aus dem Tief heraus holt. Die ständig steigenden Schmerzen haben mich schon ziemlich fertig gemacht und solche Gedankenlawinen in Gang gesetzt. So wurde also das Schmerzmittel gewechselt und jetzt ist noch ein Medikament dazu gekommen. Ich hoffe, so etwas dauerhaft die Schmerzen in den Griff zu bekommen, denn Schmerzfreiheit bedeutet Lebensqualität und ein Durchbrechen schlechter Gedanken. 
Deshalb bin ich auch froh, schon in der nächsten Woche (15.2.) ein MRT der Leber zu haben. Dadurch erhoffe ich mir Klarheit über die Schmerzursache zu bekommen und das Wissen über die Wirksamkeit dieser aktuellen Chemotherapie. Andererseits bedeutet es wieder einmal, sich der Situation zu stellen. Alles hat seine Vor- und Nachteile! 
Mich treiben auch Gedanken herum, wie es Martin und die Kinder verkraften werden. Deshalb hatte ich auch einen Termin mit dem Direktor von Simons und Pias Schule. Wir hatten ein sehr gutes und hilfreiches Gespräch. Er wollte in der Zeugniskonferenz die Fachlehrer über meine Situation informieren und um aufmerksamen Umgang (aber keine blöden Bemerkungen oder etwa Bevorzugung) mit Simon und Pia bitten. Weiterhin wurde die Sozialarbeiterin der Schule informiert. Auch mit ihr hatte ich ein gutes Gespräch und sie kümmert sich zur Zeit toll um Pia, denn sie neigt zum in sich gekehrtem Leiden und Hineinfressen. Ausserdem wird ihre Position als einziges Mädchen in diesem Haushalt eventuell überfordernd. Im Internet gibt es auch geeignetes Informationsmaterial und Seminare für Kinder mit einem krebsbetroffenen Elternteil. 
So beging ich jeden Tag aufs Neue. Mal ging es mir gut und auch mal schon am Morgen schlecht, so dass ich David nicht versorgen konnte. Ute sprang dann ein. Heute (10.2.) war zum Beispiel ein toller Tag, nur abends hat es mich plötzlich umgehauen, als Simon und Martin weg waren. 

Martin hatte sich die letzten 2 Tage frei genommen. Er wollte die Zeit intensiv nutzen und Literatur über Ernährung und Komplementäre Heilungsmethoden bei Krebs lesen. So ganz durch ist er noch nicht, aber seine Entschlossenheit, dem Krebs den Krieg mit allen Mitteln zu erklären, berührt mich. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob er sich damit nicht etwas vormacht und den "medizinischen Tatsachen" nicht stellt. Ich denke, dass es seine Form ist, Hoffnung auszudrücken und wir sollten nicht vergessen, dass Jesus Wunder tun kann und getan hat!

Letztens dachte ich, wie es wäre, wenn mich Gott folgendes fragen würde: "Regina, wenn du es dir aussuchen könntest, würdest du dann lieber keinen Krebs und die damit verbundenen Erlebnissen und Prozesse gehabt haben (abgesehen von der Geburt von David) ?" "Nein", würde ich antworten: "Ich habe so viel Liebe, Fürbitte, prakt. Hilfe und Wunder erfahren. Das war bereichernd und ein riesiges Geschenk zu erfahren, dass man nicht alleine ist. Weiterhin habe ich eine Große Lektion im Gottvertrauen bekommen und ich lernte, dass man sich nicht immer an erste Stelle setzten muß. Weiterhin erfuhr ich, dass Jesus Einsatz für andere belohnt. Lernen tat ich bestimmt noch viel mehr, zum Beispiel Ewigkeitsperspektive (was für ein unbequemes Wort!)!" Mit anderen Worten, diese Krankheit hat auch ihre guten Seiten und Veränderungen mit sich gebracht. Wenn mich aber Gott fragen würde: "Regina, willst du gesund werden?!" Meine Antwort wäre:" Ja bitte, mach mich gesund, wenn es dein Wille ist. Das wäre toll!" Gott ist kein Wunschautomat!
Morgen hat Simon Geburtstag! Gleichzeitig findet auch ein Treffen vom Frühstückstreffen statt, was ich sonst nie hätte ausfallen lassen. Diesmal ist mir der Geburtstag von meinem Sohn wichtiger und vor Gott konnte ich die Frühstücksarbeit getrost loslassen, obwohl sie mir viel bedeutet hat. Darüber habe ich Frieden. Wir sollten viel öfter einfach Gott fragen, was er meint. Nur manchmal ist es so schwer, ihn zu verstehen, oder wollen wir ihn dann nicht verstehen, weil uns die Antwort nicht passt und Konsequenzen für uns hat? Diese Fragen sollen jetzt reichen!
Ach so, David entwickelt sich weiterhin prächtig. Er hat so ein liebevolles Lächeln, dass einem ganz warm ums Herz wird. Körperlich will er lieber seine Beine benutzen. Die Arme weiß er immer noch nicht so recht anzuwenden. Deshalb findet er nach wie vor die Bauchlage schrecklich und am liebsten studiert er Menschen. Die schaut er sich ganz genau an und dazu kommen Sprachübungen. Letztens sagte er ständig: "A, AAA, aaaa aa!" Was war? A A war in der Hose! Mein Kind spricht schon! Ein Wunder ist geschehen!  ;-))
Pia ist das Wochenende zum ersten mal mit den Pfadfindern unterwegs. sie war ganz aufgeregt. Mal sehen, was sie berichten wird. 

11.2.

Pias Zeit mit den Pfadfindern hat ihr Freude bereitet. Beim Schreiben dieser Zeilen sind wir in einem Ferienhäuschen in Kronenburg, was uns Freunde aus Venlo zur Verfügung gestellt haben. Es ist ein wirkliches Geschenk und mit Abstand das schönste Ferienhäuschen, in dem wir bisher waren, sogar eine Spülmaschine gibt es hier. Diese Tage haben wir auch bitter nötig, denn leider hatten wir vorher einiges durchzustehen. Simon hatte einen sehr schönen Geburtstag (11.2.). Der Kuchen wurde fremdgeliefert /Danke Martina!), was mich sehr entlastete. Lauter Survivalsachen wie Campingzubehör und Schweizer Taschenmesser, Axt u.s.w. wurden ihm geschenkt. Er wird also in unserem Schwedenurlaub in der Wildnis überleben können. Nachmittags gab es Kaffeetrinken, Oma Zug war auch zu Besuch und abends kam dann sein bester Freund Florian. Gemeinsam bereiteten und vertilgten sie zwei Bleche Pizza. Danach schauten sie sich eine DVD an und quasselten bis spät in die Nacht.  

Seit Simons Geburtstag fieberte ich wellenweise, obwohl ich wegen den Schmerzen hochdosiert Novalgin eingenommen hatte, was bekanntlich auch sehr fiebersenkend ist. Das Blutbild ergab nichts Beunruhigendes, so dass man einfach von Lymphstau ausging und zusätzlich auf Tumorzerfallsfieber hoffte. Da fiebert man doch gerne! Mit der Zeit kristallisierte sich jedoch heraus, dass meine Operationsnarbe an der Brust bzw. Achselhöhle wieder aufging und dort ein eitriger Prozess stattfand. Also wieder einmal Antibiotikum (das vierte mal seit Ende Dezember). Nach der letzten Chemo in der Praxis am 14.02.06 hatte ich am darauf folgenden Tag die MRT-Untersuchung, worauf so viele gespannt warteten. Aufgrund der seit mehreren Tagen andauernden Fieberschüben und der letzten Chemo hatte ich für die Untersuchung so ziemlich den Papp auf, aber man kann sich ja zusammenreißen. 

Die Auswertung des MRT war niederschmetternd. Die letzte Chemoart, die ja hochorganwirksam in Organen sein soll, hat auf der ganze Linie versagt. Alle Tumore sind in meiner Leber gewachsen und das sind mit den Satellitenherden mindestens 8 Stück! Ansonsten war in dem vermessenem Bereich in Lunge, Knochen und Nieren alles in Ordnung. Gunther Rogmans sagte mir, dass er gerne noch vor unserem Kurzurlaub in der Eifel eine Punktierung der Tumore in meiner Leber durchführen lassen möchte. Manchmal sind die Metastasen in ihrer Hormonabhängigkeit doch anders als der Primärtumor. D.h., wenn die Metastasen bei mir hormonabhängig wären, dann würde sich noch ein ganz andres Therapiefenster als Chemotherapie für mich öffnen. Man könnte mir doch Antikörper geben und Angiorasehemmer oder auch Herceptin, also auf der endokrinen Schiene arbeiten, was wesentlich erfolgsversprechender, weil schon besser erforscht, und besser verträglich wäre. Am 18.02. feierten wir aber erst einmal Pia's Geburtstag. Martin's Hilfe war leider dringend erforderlich, so konnte er nicht an einem Seminar teilnehmen, was ich ihm gegönnt hätte. Er ging mit Pia, Simon und 4 Freundinnen Schlittschuhlaufen, während ich zu Hause Pizza vorbereitete. Alle waren zu Hause sehr lieb. Es ist eben doch ein Unterschied, ob man mit Jungen oder Mädchen Geburtstag feiert. Nach dem Mittagessen schauten alle noch einen Film. Es war als sehr angenehm. Beide Kinder hatten einen sehr zufrieden stellenden Geburtstag, was mich sehr freute.

21.2. Gunther vereinbarte im Krefelder Klinikum für mich einen Termin zur Gewebeentnahme am 21.02. und sagte, dass ich dann noch 24 Stunden zur Beobachtung dort bleiben müsse. Diese Punktierung sollte dann CT gesteuert in der Röntgenabteilung bei lokaler Betäubung stattfinden. Irgendwie hatte ich vor der Punktierung richtig Angst bzw. ein ungutes Gefühl. Natürlich beruhigte man mich dort und erklärte mir, dass das einzig Unangenehme die Betäubungsspritze sei. Ich hatte es mit einem recht "gewissenhaft" arbeitenden Arzt zu tun, d. h. zuerst ließ man mich eine halbe Stunde auf auf dem CT - Tisch liegen um mich dann wieder herunterzubitten, weil man doch nicht wüsste, ob man überhaupt die Untersuchung durchführen wird. Also wartete ich wieder auf dem Flur, wo mir der entsprechende Arzt erklärte, dass er zuerst die Notwendigkeit dieser Untersuchung nicht verstanden habe, jetzt aber alles geklärt sei und es dann gleich losgehen würde. Das waren die ersten 1,5 Stunden. Dann ging es wirklich los. Ich wurde wieder auf dem Tisch seitlich positioniert, die Arme nach oben und eine Braunüle im rechten Arm steckend, wo mir das unangenehme Kontrastmittel, wo einem so heiß wird, gegeben wurde. Dann hatte man genug Daten, kennzeichnete auf mir den Bereich und setzte die Betäubungsspritze. Angst war ganz schön viel da! Dann kam die Stanze oder das Punktierungsgerät, eine lange dicke Nadel. Sie wurde eingeschoben und ich schrie und schrie, aber unbeirrt wurde unter dem CT geprüft, ob die Nadel richtig im Tumor sitzt und die Stanze entnommen, was wieder sehr schmerzhaft war. Jetzt hatte ich richtig Panik und der Arzt sagte mir, dass man besser zwei Proben entnehmen sollte, ich mir aber ruhig Zeit lassen kann, um mich zu beruhigen. Nach 2 Minuten, die ich durchgehend geweint hatte, fragte er: "Frau Berg, sie wissen ja jetzt, wie es geht. Können wir jetzt weiter machen?" "Gerade weil ich es weiß, fällt es mir so schwer!" war meine Antwort. Aber ich war ja ausgeliefert mit einer Nadel im Bauch steckend, also biss ich wieder die Zähne aufeinander. Die zweite Stanze war aber wesentlich weniger schlimm, weil der Arzt nachnarkotisiert hatte. Jetzt entschuldigte er sich bei mir, dass er beim ersten mal wohl die Leberkapsel nicht richtig betäubt hatte. Toll! Ich muß ja nur stillhalten! Diese Untersuchung war für mich absolut traumatisch und schlauchend. Ich wurde zurück aufs Zimmer gebracht und war für den Rest des Tages nicht mehr zu gebrauchen. Ich muß noch hinzufügen, dass ich seit dem 20.02, einen Tag vor dem Eingriff, Palladon nehme. Palladon ist ein morphinhaltiges Schmerzmittel. Somit bin ich auf der Schmerzstufenskala 3 angelangt. Anders ging es einfach nicht, aber zusätzlich habe ich natürlich jetzt auch mit vermehrt Müdigkeit zu tun. Trotz dieses starken Schmerzmittels konnte ich mich am nächsten Tag vor Schmerzen im Bauchraum nicht mehr bewegen und es wurde mir auch richtig schlecht. Irritiert schallte man per Ultraschalll meine Leber, konnte aber nichts Beunruhigendes feststellen. So gab man mir noch Infusionen gegen die Schmerzen, dies alles erträglicher machten.

 Für mich war das alles körperlich und seelisch ein richtiger Einbruch. Ich lag da in meinen Schmerzen fast bewegungslos und war zusätzlich der Krankheit ausgeliefert, die keine günstige Prognose mehr zulässt. Da läuft schon viel in einem ab! Ich telefonierte viel mit Gunther, der mir versprach, mit Freunden für mich zu beten. 
Ich wurde dann am erst Donnerstags entlassen, war aber körperlich immer noch total fertig. Die vergangenen Wochen hätte ich ohne die tägliche Hilfe von Immi gar nicht bewältigen können. Dank ihrer Hilfe musste sich Martin nur einen Tag frei nehmen, weil sie schon um 7.30 Uhr morgens bei uns zur Stelle war. Auch die Fieberschübe hätte ich ohne ihre Unterstützung kaum bewältigen können. Liebevoll hat sie mir alle anfallende Arbeit abgenommen. Sogar den Mittwoch war sie bis abends 19 Uhr bei uns zu Hause. Martin nannte sie schon Mäuschen, so sehr gehört sie wohl schon zum Inventar. Eigentlich nennt er nur mich und die Kinder so. Sehr kreativ ist er auf diesem Gebiet nicht, aber da hatte er sich doch eindeutig vertan. Immi's Einsatz für uns forderte sogar den Verlust des wöchentlichen Nähkursbesuches am Mittwoch, weil ich wider Erwarten noch im Krankenhaus blieb. Freitags war ich dann bei Gunther in der Praxis. Dort erfragte er telefonisch das histologische Ergebnis der Proben. Leider war da nichts Hormonrezeptorstatus positiv oder Her, 2 neu pos. 
So bleibt mir nur als letzte Möglichkeit eine wöchentlich Chemotherapie mit Taxanen (jetzt Taxotere), die sehr schlauchend sein soll. Gunther will diese Chemo dreimal fahren und dann wieder ein MRT durchführen lassen. Wenn auch diese Chemo nicht wirkt, dann hören wir auf. Das Ende der Fahnenstange ist dann erreicht. Somit wird sich mein Allgemeinempfinden nicht unbedingt änden, so wie ich geschwächt bin und immer noch im Bauchfellbereich Schmerzen habe, wodurch ich sehr kurzatmig bin. Die Stelle an der Brust ist immer noch offen und es ist sehr fraglich, ob sie unter der neuen Chemo überhaupt heilen kann. Durch eine weitere Chemo wird mein Körper wieder total mitgenommen, was bei keinem Erfolg bedeutet, dass sich die Tumore eher besser ausbreiten können. Zusätzlich wird es mir vermutlich unter der Therapie nicht sehr gut gehen. Übelkeit, Verstopfung (sehr schmerzhafter Stuhlgang), Geschmacksstörungen und Missempfindungsstörungen an den Füßen und Händen, wie ich es schon teilweise habe, sind an der Tagesordnung. 

28.2. Deshalb nutzen Martin und ich auch diesen Kurzurlaub, um Gott zu fragen, ob diese Chemo überhaupt für mich sinnvoll ist. Sie bedeutet auf jeden Fall für mich Leid. Wenn ich sie durchführen lasse und sie nicht erfolgreich ist, dann wissen wir aber auf der anderen Seite, dass medizinisch gesehen gar nichts helfen kann. Brauchen wir aber diese Gewissheit noch, so wie der Krebs über die anderen Chemos gelacht hat??? 15 mal habe ich mich mit Gift volllaufen lassen, ohne messbaren Erfolg. Dazu kommt noch die Strahlentherapie. Eigentlich könnte ich viel schlechter dran sein, aber da zeigt sich auch wieder Gottes Gnade. Zur Zeit neige ich dazu, mich ganz in Gottes Hände zu begeben. Er kann ein Wunder tun, auch ohne Chemo, wenn er es will. Oder sollen wir noch einmal, obwohl wir so viel Misserfolg hatten, auf diese letzte Chemo bauen? Am Donnerstag, den 02.03. bin ich wieder bei Gunther und wir werden darüber sprechen. Ihr werdet es also erfahren. Gerade hat Martin mit Simon und Pia den tollen Schneefall genutzt um einen Pinguin und Eisbären zu bauen. Sie sehen ganz toll aus. Ansonsten setzten wir uns hier anhand von DVD-Vortragsmaterial mit gesunder Ernährung auseinander. Da hatten wir so manche Erleuchtung. Ich esse schon seit 2 Wochen keine zuckerhaltigen Produkte mehr und merke, dass es mir dadurch besser geht. Vollwertige Ernährung ist schon einmal toll, aber es geht weiter. Ob wir das alles umsetzten können, weiß ich noch nicht. Eine milchfreie Ernährung scheint auch sinnvoll zu sein u.s.w.. 

Martin hat sich auf einem Bauerhof in Hüls geeignete Partyräume angesehen. Wir haben sie angemietet und wollen dort am 06.05. ein großes Dankesfest für das Leben von David feiern.  Auf dieses Fest freuen wir uns schon sehr! So oder so muß ich mich jetzt auf die letzte Phase in meinem Leben einstellen und überlegen, wie ich sie gestalte. Ich hoffe dass ich bis zum Schluss aktiv sein kann. Gunther sagte, dass der Tod durch Leberversagen sehr gnädig sei. Zuerst sieht man so aus, als ob man frisch aus dem Urlaub kommt. Später kommt ein unangenehmer Lebergeruch aus dem Mund dazu (bitte verzeiht mir!) und in der letzten Phase fällt man in ein Leberkoma wo man hinwegschlummert. Bis dahin hoffe ich, dass vielleicht mein Tagebuch ein richtiges Buch wird, wir ein tolles Fest im Mai haben und ich noch fitt genug für den Schwedenurlaub Ende Juni/Anfang Juli sein werde. Ruhe, Gelassenheit und Frieden sind meine Wünsche. Daran muß noch gearbeitet werden.

 

11.4.

Mittlerweile hat sich ja schon herumgesprochen, dass ich mich nach 2 Beratungsgesprächen doch zur letzten Chemotherapie mit Taxoferon, einer Monotherapie , entschieden hatte. Wider Erwarten habe ich bislang die Therapie ausgespochen gut, auch vom Blutbild, vertragen. Wir sind alle sehr überrascht, so dsss wir auch ein ganzes Schema von 6 Chemos wöchentlich durchführten. Heute hatte ich die 6. Chemo, so dass am Mittwoch nach Ostern das MRT in der Röhre durchgeführt wird. Ich bin ganz froh, dass die Untersuchung nach Ostern sein wird, denn mittlerweile hasse ich Stunden der Wahrheit vor Feiertagen. So kann ich jetzt die kommenden Ostertage ganz relaxt angehen.
Zur Zeit fühle ich mich wirklich sehr gut, wenn ich meine Schmerzmedikamente natürlich regelmäßig nehme. Diese Chemo hat offensichtlich meine Eierstöcke lahm gelegt und mich radikal in die Wechseljahre geschickt. Dies bedeutet nicht nur viele Schweißausbrüche, sondern ständig Wasserfälle über mich, die mich auch schlauchen und ganz einfach mitnehmen. Ansonsten wachsen die Haare sehr schön und das Kortison hinterlässt in meinem Essverhalten und besonders im geschwollenen Gesicht seine Spuren - ich sehe aus wie ein Hamster, der gerade für seine Vorräte im Mund gebunkert hat.
Insgesamt bin ich für die letzten Wochen sehr dankbar, denn meine Lebensqualität war annähernd normal. Letzte Woche hatten wir alle einen Magen -und Darm-Infekt. Das war nicht schön, aber nicht so dramatisch wie bei unserer letzten Epidemie. David bekommt regelmäßig Krankengymnastik, was mich zwingt, mit dem Kinderwagen in die Stadt zu gehen. -so etwas schlaucht, tut aber auf der anderen Seite gut. Ansonsten habe ich einige schöne Einkaufbummel mit Beate und Immi hinter mir, die einfach viel Freude gemacht haben. Zwischenzeitlich lief unser Spiegelkreis alle 14 Tage montags, das hat ausgesprochen viel Freude gemacht. Vor einer Woche hatten wir unser letztes Treffen mit einem schönem Abendessen. Wir haben beschlossen, 1 mal monatlich jeden 2 Montag weiter zu machen. Darüber freuen sich Beate und ich sehr. Ende März hatten wir auch unseren alljährlichen "Ehe-TÜV", diesmal bei Freunden in Krefeld-Fischeln, also nicht so weit weg. Trotzdem war die Unsicherheit da, ob ich konditionell durchhalte. Simon und Pia kamen bei einer Familie mit 6 Kindern in Dülken unter. Dort wurde ein Filmprojekt (Simon als Regisseur) am ganzen Wochenende durchgeführt, mit viel „Brutalität“, Kindsentführung usw. aber auch viel Spass. David hatte in der Zwischenzeit ein Wochenende bei Ute und Achim. Martin und mir tat dieses Wochenende einfach zum Überdenken sehr gut, Pia bekam einen Pubertätsschub, Simon einen Filmerfolg und David einen Fortschritt in seiner motorischen Entwicklung. Erfolge auf der ganzen Linie und ich hatte gut durchgehalten. So waren wir alle müde und froh. Dieser Aktion schloss sich darauffolgendem Wochenende noch ein Familientreffen an, da meine Schwester aus Kiel zu Besuch kam. Damit war der Samstag und der Sonntag wieder voll. Am Samstag waren wir aber zuvor bei Freunden zum Frühstück und anschiessend packte es mich und meine Freundin Andrea, Ikea in Duisburg mal zu besuchen. Gesagt und auch getan. Martin kümmerte sich in der Zwischenzeit um David und den Garten. Dieses Wochende wurde der der Garten aus dem Winterschlaf geholt. Besonders freue ich mich wieder über unsere überdachter Terrasse, auf der wir schon einmal zu Mittag gegessen haben.

Letzten Sonntag schauten wir uns gemeinsam mit meinem Bruder und Familie das kleine Nashorn im Krefelder Zoo an. Simon fuhr dann direkt mit Helmut, Christina und den Kindern nach Issum (Osterferien!) und will dort bis Karfreitag bleiben. Als Vorrat für den Zoo hatte er über 25 Muffins gebacken. Die reichten gerade so für den Zoo. Auch sein Freund Florian hätte so oft Hungerattacken und dann müssten sofort Muffins gebacken werden.
Montags gab es wieder etwas Schönes. Wulf und Agi haben mich besucht. Wulf hat früher mit Martin und Germain und Stefan in einer WG in Aachen gewohnt. Leider ist seine Frau Agi im Dezember letzten Jahres an Darmkrebs mit 2 Metastasen in der Leber aufgefallen. Sie bekam die gleiche Chemotherapie wie ich im Januar. Ich hatte sie recht gut vertragen, sie nicht; bei mir sind die Metastasen gewachsen, bei ihr sind sie zerfallen, was laut Arzt in 20 Jahren nicht vorgekommen sei. Wir hatten einen ganz tollen Nachmittag zusammen und viel zu erzählen und zu beten. Es hat uns allen gut getan. Martin war jetzt Montags bis heute (11.4.) mit Pia auf einer Dienstreise in Kronach. Dort haben Pia und Martin in einem ganz schönen Hotel übernachtet, wo man schwimmen und gut essen konnte. Als Martin am Vormittag beruflich tätig war, schaute sich Pia Kronach (insbesondere ein Kaufhaus) an. Beide kamen heute sehr fröhlich nach Hause und ich denke, dass es ein ganz tolles Vater-Tochter-Erlebnis war.

Ihr seht, dass sich in der letzten Zeit sehr viele schöne Ereignisse aneinandergereiht haben, die uns sehr viel Freude bereitet haben. Überwältigt waren wir auch von vielen lieben Begegnungen und Geschenken, wo uns ganz oft vor Erstauen der Mund offen stand. Da sind zum Beispiel Geldgeschenke gewesen für Medikamente, die wir ergänzend zur Chemo nehmen und privat bezahlt werden müssen. Unmengen an schönen Blumensträußen wurden mir gebracht und Blumenosterkörbchen. Wenn wir hier in unserem Lieblingsrestaurant beim Türken essen, dann wurden wir dort besoners verwöhnt, aber wir bekamen auch einen Sonderpreis und da stand wieder der Mund staunend offen. Oder eine Nachbarin schellt und gibt uns einen Eisgutschein, damit wir Ostern Eis essen gehen. Ich könnte die Liste jetzt endlos forfühen und spüre dabei eine ganz tiefe Dankbarkeit. Danke für so viel Nähe und Anteilnahme! Deshalb freuen wir uns auch so auf unser Dankesfest am 06.05. , obwohl wir gar nicht alle aus Platzgründen einladen können. Am liebsten wüden wir ja die ganze Welt einladen. Karfreitag:Es geht mir einfach so gut !!!! Das macht Freude, also wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, dass ich gar nicht krank bin. Selbstverständlich liegt das mitunter an den Medikamenten, die mir einfach helfen. So freue ich mich riesig, dieses Osterfest begehen zu dürfen, auch wenn natürlich der Gedanke mitschwingt, dass es vielleicht mein letztes Osterfest und der letzte Frühling sein kann. So beging ich den gestrigen Gründonnerstag in unserer Krefelder Gemeinde, wo ich zum ersten mal eine Fußwaschung miterlebte. Pia hatte Lust mitzukommen, und so wurden wir beide von Armin und Beate mit nach Krefeld genommen. Gemeinsam erlebte ich mit meiner Tochter das Abendmahl und spürte dabei ihre große Liebe zu Jesus Christus. Es war für uns beide ein schönes Erlebnis. Beim Einschlafen dachte ich besonders über diesen Abend. Selten habe ich so intensiv gespürt, dass uns die ganze Zeit Jesus Christus mit seinem Leben und Sterben dient. Nicht wir dienen ihm mit unserem Leben, sondern Er tut es unablässig für uns.  Dieser Gedanke drang wohltuend in mein Herz und wurde dort verstanden.

Im Moment bin ich also rundum zufrieden und glücklich. Natürlich könnte ich auch von ständig unterbrochenen Nächten, Schweißausbrüchen, Erschöpfungszuständen, Verdrängungsschmerzen im Rücken klagen. Besonders könnte ich ein großes Kapitel schreiben, wie Martin versucht, alternative Wege gegen den Krebs zu gehen und daran leidet, dass ich da nicht so richtig mitmache. Die schlagen sich erst einmal in unserer Familie als verschärft veränderte Nahrungsgewohnheiten nieder. Ziel ist eine milchfreie (Martin kann darüber Vorträge halten, wie schädlich Milch ist), eiweißhaltige (Soja) und vollwertige (Hülsenfrüchte), zuckerfreie, fleischarme und schweinefleischfreie Ernährung. Das sind Umstellungen, die besonders mir, die vorher doch am gesündesten die Familie ernährt hat, schwerfallen. Martin war eigentlich derjenige, der das Weißbrot liebte, den Kaffee mit Zucker und natürlich das Frühstückscroissant mit Marmelade bevorzugte. Ich hingegen liebte das Körnerbrötchen und wurde von der Familie des öfteren ermahnt, mal wieder "gesund" aber nicht lecker gekocht zu haben. Nun haben sich die Verhältnisse verändert. Mein Mann liebt plötzlich das Frischkornmüsli am Morgen, verschmäht den Kaffee, nimmt möglichst nur noch Sojamilch zu sich und ist zum Einkaufen stundenlang verschollen, weil er ja alle Inhaltsbeschriftungen lesen muß.  Neuerdings hat sich auch Simon auf seine Seite geschlagen. Er liebt jetzt Hirse! Auch mein Bruder Helmut ist mit seiner Frau Christina dabei. Er hat sich als Arzt erkundigt und unterstützt jetzt die milchfreie Ernährung für seine Familie. Alle verlassen mich und heimlich muß ich nun mein Eis schlecken oder die Pommes auf dem Markt essen (aber auch dabei wird man erwischt). Als Martin mit Pia auf Dienstreise war und ich zu Hause nicht kochen musste (Simon war bei meiner Schwägerin Christina und meinem Bruder Helmut bis heute) habe ich dieser Lust nämlich nachgegeben. Zusätzlich würde Martin gerne bei mir die B17 Therapie durchführen. Die ist so eine Art komplementäre Chemotherapie und beinhaltet den Verzehr von letztendlich 50 Aprikosenbittermandelkernen täglich. Im Körper wird aus dem B17 (Laetrile / Amygdalin) ein Stoff frei gesetzt, der den Tumore in vielen Fällen den Zelltod beschert, dort wo die Hoffnung für den Patienten schon aufgegeben wurde. Natürlich ist Blausäure toxisch, aber Chemotherapie ist es auch. 2mal habe ich es geschafft 10 Bittermandelkerne zu verzehren. Der Erfolg war sehr bitter im Verzehr und eine dauerhaften Geschmacksbeeinträchtigung bis heute. Vielleicht liegt es auch an der Kombination meiner Chemo und den Mandeln, aber ich kriege das Zeug einfach nicht runter. Meine Zungenspitze kann bis heut noch nicht schmecken und die letzten Mandeln sind bestimmt 10 Tage her.
Wir hatten auch ein Beratungsgespräch bei einem Arzt in Kalkar. Helmut hatte uns diesen Kontakt vermittelt. Dieser Arzt beriet uns 2 volle Stunden am Samstagabend, ohne dafür eine Rechnung ausstellen zu wollen. Neue Fenster der komplentären Krebsbekämpfung öffneten sich, wie zum Beispiel die Fiebertherapie, Vitamin C Infusionen usw. Martin bekommt durch solche Gespräche Hoffnung und in mir erzeugt es Druck. Ich möchte einfach Gott vertrauen und annehmen, was er für mich bereit hält, auch wenn es der bittere Kelch wie für Jesus im Garten Gezemane ist. Kämpfe ich deshalb nicht richtig? Habe ich die Hoffnung schon aufgegeben? Ich möchte meine Familie auch auf das Schlimmste vorbreiten, Martin möchte, dass ich das Schlimmste einfach nicht zulasse - auch gedanklich nicht - und davon überzeugt bin, den Krebs zu besiegen. In dieser Spannung leben wir. Adrian Plass schrieb in seinem Andachtsbuch bis zur Auferstehung "Gesprengte Mauern" über eine Begegnung mit dem Evangelisten David Watson, der an Krebs starb. Dieser Mann kämpfte sich von der Einstellung "bleiben zu wollen, aber bereit sein zu gehen", zu der Einstellung "gehen zu wollen, aber bereit sein zu bleiben, falls er geheilt würde" durch. Diese Einstellungsänderung muss wie eine Reise zu Fuß zum Südpol gewesen sein. Adrian Plass schrieb, dass David Watson aber damit die Worte Jesu unmittelbar erfüllte:" Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird mein Vater ihn ehren. " Ich kann nur sagen, dass mich diese Worte sehr beeindruckt haben und ich mich teilweise auch auf dieser Reise befinde, andererseits glaube, dass ich hier auf Erden von meiner Familie sehr gebraucht werde und ich sie auch nicht alleine lassen möchte. Um so mehr freue ich mich über diese Tage und meinen guten Allgemeinzustand. Ich nehme es als Geschenk aus Gottes Hand und will es einfach genießen. Ich wünsche allen herrliche Ostertage und die Nähe des Auferstanden Jesus !

Noch einmal will ich verweilen

und dann in deine Arme eilen

Du bereicherst mein Leben

vieles willst Du mir geben.

Gefallen hat mir davon so manches nicht

und wiederum erfüllt es mich mit Licht.

Ist das in unserm Leben der Zwiespalt?

Dir ganz zu vertrauen als Halt?

Noch einmal will ich verweilen,

um siegend in Deine Arme eilen!

(Regina Berg , Ostersamstag 1 Uhr nachts)          Schöne Ostern!!!!!!

 

30.4. Irgendwie muss ich ja jetzt doch der Situation stellen, die Ergebnisse zu kennen. Das MRT war vor eineinhalb Wochen. Das Ergebnis, wovor ich Angst hatte, war nicht schwarz und auch nicht weiß. Mit anderen Worten sind die Tumore auf 8 mal 8 cm und 3 mal 3 cm (aufgerundet) neben den Satellitenherden in meiner Leber gewachsen und verursachen natürlich auch dementsprechend Kapselschmerzen. Nach wie vor haben wir es mit hochagressiven Tumorzellen zu tun, aber sie sind nicht ganz so aggressiv gewachsen, wie im Vorfeld. Das bedeutet, diese letztmögliche Chemo bewirkt zur Zeit wenigstens eine leichte Wachstumsverzögerung und damit Lebensverlängerung. Dies war Anlass genug für die Entscheidung, diese Chemotherapie so lange wie möglich wöchentlich fortzuführen. Natürlich schadet auch sie meinem Körper bzw. meiner Leber. Hier gilt es jetzt ganz sensibel zu jonglieren, auf welchem Wege man mir noch so lange wie möglich Lebensqualität verschaffen kann. Mitten in diesen Gedanken bekam ich einen empfindlichen Schmerzschub, d.h., dass das Morphium wegen Leberschmerzen seit einer Woche plötzlich nicht mehr ausreichte. Ein Gespräch mit Gunther ergab, dass vermutlich schon eine Woche Pause mit der Chemo für diesen Schmerzschub ausreichte, zumal ich in dieser Woche ja kein Cortison genommen habe. Entweder ist meine Leber wegen der Cortisonpause angeschwollen oder ein Wachstumsschub der Tumore oder einfach beides - was ich glaube - fand statt. Nun hänge ich da und musste nach mehreren Versuchen die Palladondosis auf 12 mg erhöhen. Damit war ich aber nicht schmerzfrei, also doch schon 16 mg ? (was eine Verdoppelung der Schmerzmitteldosis gleichkäme). Zur Zeit kann ich mich dazu nicht durchringen und versuche es noch mit 12mg, heute sogar mit Erfolg. Der Ablenkungsfaktor war heute gut. Zur Zeit arbeite ich noch an den Ergebnissen. Auch für Martin ist die Decke dünner geworden. Wir müssen uns nun mit meiner leiblichen Endlichkeit auseinandersetzen, die aus medizinischer Sicht sehr gut noch in diesem Jahr stattfinden kann. 
Offensichtlich muss ich akzeptieren lernen, schubweise körperliche Verschlechterungen zu erfahren, die sich ohne Vorwarnungen einstellen. Wie gehe ich mit dem bevorstehenden Urlauben in Jerusalem und Schweden um, die doch ein Aussetzten der Chemo mit sich bringen? Wie werden Simon und Pia gerade in der Pubertät mit dem Verlust umgehen, wo sie doch mich auch noch dringend brauchen? Was ist für David die beste Lösung? Können wir Regelmäßigkeit nach meinem Ableben erlangen? Wie wird es meiner großen Liebe Martin ergehen? Fragen über Fragen in meinem Kopf, denen ich versuche mich zu stellen, was sehr schmerzhaft ist. Am schmerzhaftesten ist zur Zeit interessanterweise der Umstand, dass sich David an mich nicht erinnern können wird. Helfen tut mir zur Zeit tatsächlich die Vorbereitungen auf unser schönes Fest. Viele liebe Leute werden wir noch einmal sehen, David segnen und das Leben mit all seinen Seiten feiern. Darauf freue ich mich riesig. Wir wollen als Familie nach wie vor den Schwerpunkt auf das Leben, Dankbarkeit an Jesus und Freunde legen und damit weitere Schritte in die Zukunft gehen. So langsam nimmt das Fest auch Form an. 

Heute waren wir auch auf einem Familienfest von Freunden in Erkrath, deren Tochter aus dem Biblischen Unterricht entlassen wurde. Es war richtig schön, eine andere Gemeinde kennenzulernen und eingeladen zu sein. Richtig schön war auch gestern die Party, auf der wir von Ute und Achim eingeladen waren. 4 Pärchen hatten sich zusammengetan, einen tollen Hof gemietet, und dann Ihre Freunde eingeladen. Das war toll! Heute abend könnte ich auch noch auf einem 90. Geburtstag feiern (2x45!!), aber aus reinen Vernunftsgründen bin ich heute abend zu Hause geblieben, weil ich doch dann zu sehr aus dem Rhythmus komme, was mir die Osterzeit leider bewiesen hatte. Ich brauche doch viel Ruhe und Regelmäßigkeit. Also richten wir uns zu aller Wohl danach. Bis dahin........vielleicht sehn wir uns auf dem Fest!!!!!!

06.05. Von so vielen Tagen kann ich berichten, dass ich gar nicht weiss, wie ich anfangen soll. Vielleicht starte ich ganz einfach mit unserem Fest des Lebens vor einem Monat. An diesem Tag wurden wir schon morgens mit bestem Niederrheinwetter begrüßt und rückblickend war es auch wettermäßig das schönste Wochenende im Mai. So konnten wir getrost der Menge der Gäste entgegensehen, da jetzt auch der Garten mit nutzbar war. Die Vortage hatten wir relativ mit mentalen und praktischen Gedanken verbracht. An diesem Tag galt es noch, spontan etwas im musikalischen Bereich umzugestalten, aber auch das klappte gut. Martin stellte schon morgens die Stühle für den Gottesdienst und nahm die letzten Getränke mit. Alles war vorbereitet und ab 14 Uhr war ich auch für die letzten Vorbereitungen dort. David wurde in der Zwischenzeit von Ute bei uns überwacht, da das ja noch seine Schlafenszeit ist. Sie sollte ihn dann auch für die Segnung anziehen. Ich sagte ihr, dass ich einige Vorschläge herausgesucht habe, aber ihr ganz freie Hand lassen würde, da ich selbst bei dem Wetter etwas unsicher sei, was das Richtige ist. Und was machte die liebe Ute? Sie hatte am Vortag eigens etwas Wunderschönes und Schickes für den kleinen Muckel als Überraschung für uns besorgt und diese Überraschung hat auch gesessen. David kam also im perfektem Outfit! Kurz vor 16 Uhr trudelten die ersten Gäste ein. Der Kaffee war fertig, aber der erwartete Kuchen war noch nicht da. 
Das machte mich leicht nervös, doch pünktlich um 16 Uhr durchdrang ein Ruf die Festräume: "Draussen auf der Weide ist ein Kälbchen geboren worden. Kommt und schaut!"

   Das taten wir! Unser Fest des Lebens begann mit einer handgreiflichen Geburt auf der Wiese. Wir alle fanden vor Freude und Staunen über das neue Leben keine Worte. Frieden und Harmonie breitete sich aus, die das ganze Fest über anhielt. 

 Gegen 17 Uhr luden wir zum Gottesdienst ein. Es war ein sehr persönlicher Gottesdienst mit Dankeselementen an Gott für die lange Wegbegleitung, Segnung von David Jonathan und dem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft im Vertrauen auf Jesus Christus. Danach wurden von uns noch Tulpen verschenkt, die ein Ausdruck unserer Dankbarkeit an alle sein sollten. Natürlich gingen wir dann zum zwanglosem Sektanstoßen über, was durch tolle Live-Musik der Gruppe "Calumet " (Armin, Achim, Sarah und Mania) enorm bereichert wurde. Also: Sekt oder Orangensaft, Fingerfood, tolle Musik, wunderschönes Wetter, neugeborenes Kälbchen auf der Weide und alles nur liebe Gäste.... Was will man mehr? Mehr Zeit zum Anstoßen! So langsam kündigte sich wie von Zauberhand ein üppiges Büffet an und Ute und ich brachten David gemeinsam nach Hause in sein Bettchen. Von dort wurde er von Nachbarn per Babyphon überwacht. Als wir gegen 21 Uhr zurück waren, verabschiedeten sich zu meinem Bedauern aber schon die ersten Gäste, was ich auf der anderen Seite gut verstehen konnte, denn alle waren ja schon lange geblieben. So bildete sich doch eine lange Kette, die sich von uns verabschiedeten und gegen 23 Uhr waren fast alle Gäste gegangen. Glücklich und zufrieden blickte der harte Kern auf diesen Tag und das harmonische Fest zurück. Da waren so viele besondere und schöne Momente! 

Zum Beispiel hatten Pia und ihre Freundin Tabea einen ganz tollen Tanz einstudiert, extra für diesen Tag! So viele sind gekommen und haben uns damit eine große Freude gemacht. Wir können wider einmal nur dankbar sein und auf die Bilder hinweisen, die Rüdiger Reuber an diesem Tag gemacht hat. Benommen und glücklich fielen Martin und ich in unser Bett.

 Den nächsten Morgen begangen wir erst ein gemütlich auf der Terrasse mit Frühstück bevor wir uns den Aufräumarbeiten stellen wollten, aber auch da war gar nicht viel zu machen, als die Rechnung zu begleichen, Essenreste mitzunehmen und restliche Geschenke, die sich doch eingefunden hatten. Alle Geschenke, die sich eingefunden haben, kamen unerwartet, aber waren trotzdem super, wofür wir uns auch nur bedanken können, sowie für die üppigen Beiträge zum Büffet (auch dass ihr euere Essensachen wieder mitgenommen habt, sonst hätten wir echt Not bekommen), danke. Wir hoffen, dass euch dieses Fest, obwohl die Kinder ja tatsächlich konsequent die Herausgabe von Bier (es war in Form von Fässchen und auch Kasten vorhanden!!!!) verweigert hatten, so dass viele sich mit Klaustaler zufrieden gaben, dieses Fest ebenfalls in so guter Erinnerung behalten werden. Das mit dem Bier üben wir dann noch einmal!

Mehr Bilder vom Fest hier...

20.05.06

bis

01.06.06

Diese Zeilen schreibe ich jetzt in unserem Ferienhäuschen in Schweden. Die Ereignisse haben sich einfach überschlagen.  Zuerst werde ich aber von Jerusalem berichten, Tage für die wir dankbar sind und uns lange begleiten werden als Bereicherung für unsere Ehe und Glaubensleben. Zwei Wochen nach dem "Fest des Lebens" musste plötzlich der Koffer geschlossen werden, geprüft ob alle Papiere (besonders das Morphium) da sind und LOS!!! Armin und Beate hatten uns diese Reise geschenkt (sie wussten, daß diese Stadt zu unseren stärksten Reisewünschen gehörte) und wollen in dieser Zeit in unserem Haus mit den Kindern wohnen. Sie brachten uns mit den Kindern zum Düsseldorfer Flughafen. Dort wurde eingecheckt und zum Abschied Kaffee getrunken. Das Wetter war miserabel, als ob es uns aus Deutschland vertreiben wollte (unterwegs sogar mit heftigem Hagel). Sollte wirklich alles wahr werden? Irgendwann waren wir im Flieger nach Wien, ich alleine mit Martin! Später standen wir in Wien Schlange vor dem Schalter nach Tel Aviv und das ohne Probleme mit den Medikamenten! Alles war kaum vorstellbar. Gegen Mitternacht kamen wir dann in Tel Aviv an. Dort wirkte alles auf uns modern und wir folgten erst einmal der Schlange Richtung Zoll. Auch das war kein Problem: Stempel, durch  die Türe und fertig! Jetzt war fast 1 Uhr Nacht und unsere Aufgabe war es, auf Armins Nichte zu warten.  Drei Ausgänge gibt es am Flughafen und so warteten wir. Spannend! Dann kamen Susi und ihr Mann Amos, was uns sehr erleichterte. Sie fuhren uns nach Jerusalem direkt vor das Jaffa Tor. Zuerst sah ich also in der Nacht Palmen und dann standen wir vor der "Old City of Jerusalem" wo wir die nächsten 10 Tage unsere Unterkunft haben sollten. Das Gefühl war unbeschreiblich. Wir wurden bis zur Haustüre des Johanniter Hospizes begleitet und auch dort wieder herzlichst aufgenommen. Vor der Haustüre schwebt unübersehbar das große Johanniter Ordenszeichen und alles ist direkt an der achten Kreuzwegstation gelegen. Alle Räume waren wie Ritterräume mit Kreuzgewölbe und dadurch total gut klimatisiert. Unser Zimmer hieß "Bethlehem". Natürlich waren unsere Betten wieder getrennt, aber das kennen wir ja von unseren Flittertagen und spielte eine untergeordnete Rolle. Müde und vor Glück weinend fiel ich in mein Bett, um ca. 2 Stunden später (irgendetwas zwischen 3 und 4 Uhr) zum muslimischen Gebetsaufruf vom Muezzin per Lautsprecher geweckt zu werden. Jetzt wusste ich ganz genau, dass wir in Jerusalem sind. 

Markttreiben mitten in Jerusalem


Blick vom Ölberg auf Jerusalem bis Zion (links)

     
rechts: Martin mit David - sieht er nicht aus wie Simon?


Gethsemane

In den folgenden Tagen erlebten wir besonders durch die tolle Betreuung und Tips der Mitarbeiter des Johanniter Hospizes Jerusalem auf wenig touristische Art und Weise kennen. Trotzdem lernten wir (und Martin nervte es sehr) mit Taxifahrern zu verhandeln und erfuhren immer wieder schmerzlich, beim Versuch für unsere Kinder und Freunde in Deutschland etwas Schönes zu kaufen, letztendlich preislich doch noch übers Ohr gehauen worden zu sein. Das sind aber alle Nebensächlichkeiten. Martin war davon fasziniert, dass die Stadt mindestens 14 Meter höher liegt, als zu Zeiten von Jesus Christus. So ist es ohnehin schwierig, seinen Fußspuren zu folgen und doch so schön, einmal in dem Land und der Stadt gewesen zu sein, in der er leibhaftig gewirkt hat. Für mich war die Unterkunft mehr als nur günstig, denn wir konnten unsere Ausflüge so legen, dass ich mittags zur Ruhe kam, wenn es am wärmsten war (und heiß war es!). Ich brauchte auch sonst dringend Pausen und hatte auch mit Schmerzen und Übelkeit zu tun, so dass ich auch deshalb in Deutschland anrief und wir dann durch medikamentöse Umstellung viel erreichten. Martin hat viel gefilmt und Fotos gemacht (ich aber auch!). Hervorzuheben bleibt für uns der Besuch der Taufstelle am Jordan in der Nähe des Sees Genezareths (Jardenit). Freunde aus Venlo hatten einen ganz besonderen Gebetseindruck für uns (bevor sie wussten, dass wir ein Reise nach Jerusalem geschenkt bekommen). Sie hatten den Eindruck, dass ich an der Kante des Jordans stehe und wichtige Worte zum Jordan und dem Toten Meer spreche, die für meine Heilung, aber auch für Israel wichtig sind. So war es uns natürlich ein Bedürfnis, dem nachzukommen und ich stieg auch komplett in den Jordan mit meinen Worten und Gebeten um Heilung. Unmengen an Fischen gibt es dort und der Jordan hat ein wunderschönes Grün. Später durfte wir noch vielen Taufen beiwohnen, die eine wunderschöne Atmosphäre des Friedens  verbreiteten. Man kann dort mit seinen Gemeindemitgliedern hinfahren und sich taufen lassen, was offensichtlich rege in Anspruch genommen wird. In einem klimatisiertem Bus fuhren wir zurück und bekamen so erst abends mit, dass es an dem Tag besonders heiß war (40 Grad im Schatten). Wir können so viel von diesen Tagen erzählen. In dieser Zeit sahen wir sehr intensiv die Jerusalemer Altstadt, hatten eine zweistündige private Führung in der Grabes- (und Auferstehungs-)kirche, erlebten eine Bar Mizwar an der Klagemauer, sahen die unterirdischen Ausgrabungen der Westmauer, Yad Vashem, die Chagall-Fenster der Jerusalemer Universität, die Zitadelle am Jaffator mit der Geschichte Jerusalems, ein Gebetstreffen für Jerusalem in der Zionskirche, einen lutherischen Gottesdienst, einen baptistischen und einen Gottesdienst messianischer Juden der Gemeinde "King of Kings". Wir lernten fremde Speisen kennen und die tiefere Bedeutung der eigentlich freundlichen Ansprache "Where do you come from".
Das Gespräch geht dann weiter: "from Germany." "Oh, Germany, my brother is living in Munich. Wouldf like to visit my shop?" "No" "Why not?" ...
Mit der Info, daß wir aus Deutschland kommen, wissen sie dann, welche Preise sie für Ihre "China-Ware" verlangen können.

Für mich war es aber die wichtigste Erkenntnis, dass dir Jesus Christus als auferstandener Herr in Jerusalem nicht begegnen wird, wenn er es nicht schon vorher getan hat, bzw. wird. Sein Wirkungskreis ist ortsunabhängig. So konnte ich die Tage mit Essen gehen mit Martin, Ausflüge, Begegnungen, Gottesdiensten und so weiter mit Martin komplett als Geschenk erleben. Nach 10 sonnendurchfluteten Tagen in Israel kamen wir dann wieder ins kalte und regnerische Kempen, wo wir aber wiederum herzlich und freundlich begrüßt wurden.

Nach diesem herrlichen Geschenk hatten wir noch drei Wochen bis zum Schweden-Urlaub mit Reginas Bruder Helmut und seiner Familie. Schön, auch hier noch ein paar Highlights zu erleben: Pias Auftritt mit "Power of Voice" vor dem Düsseldorfer Rathaus (Jazz-Ralley) am Pfingstmontag, das Abschlußkonzert der Bläserklasse von Pia, der Auftritt von Martins Schulprojekt "Xtra-Band" und ein Spiegelkreis (Reginas und Beates Frauengesprächskreis) mit insgesamt 8 Frauen. 
Diese Tage beinhalteten auch, medizinisch die Schwedenzeit vorzubereiten. Helmut als Arzt sollte die dann anstehende Chemo geben und auch schmerztherapeutisch alle Optionen haben können. Gunther Rogmans hatte daneben von einer weiteren Option an Chemotherapie gehört, die maximale "Effektivität" hoffen ließ, aber für den Körper definitiv eine drastische Belastung darstellt.  
19.06. An diesem Tag sollte erneut eine MRT zeigen, was von der bisherigen Chemotherapie zu halten ist. Während wir am Freitag vorher noch einmal die Sinn- und Unsinnhaftigkeit aller medizinischen, komplementären und sonstigen Therapien diskutierten, legte dieses MRT alles offen und klar:
Diesen Tumor beeindruckt nichts wirklich! Die Hauptmetastase in der Leber hat ihr Volumen verdoppelt, auch die anderen sind gewachsen und nun ist auch Knochen befallen. Damit ist klar: medizinisch ist diesem Tumor nicht beizukommen. Alle der aktuellen effektivsten Chemotherpeutika haben ihm nichts anhaben können, selbst die These mit der Wachstumsbremse ist fraglich. 

Das bedeutet dann auch: 

- es macht keinen Sinn, die laufende Chemotherapie weiterhin zu geben - die minimale Wachstumsverzögerung steht in keinem Verhältnis zu der zusätzlichen Belastung für den Körper. Vielleicht heilen auch die mittlerweile größer werdenden Wundflächen dann besser.
- ein solcher Tumor hätte hätte zum selben Ergebnis und Verlauf geführt, auch wenn wir David nicht bekommen hätten und früher mit der Chemotherapie begonnen hätten - Regina hätte ein paar Monate länger gelebt.

So haben wir mit viel rauf und runter-Diskussion wirklich Frieden darüber bekommen, jegliche weitere Chemo nicht mehr zu nehmen. Damit geht es "nur" noch um eine wirksame Schmerzmitteleinstellung.

der Bericht über die Schwedenzeit folgt in Kürze
16.07. Mittlerweile in Kempen zurück erlebt Regina einen drastischen Einfall in ihrer Kondition und ihrer Beweglichkeit. Die Hautprobleme nehmen zu (starke Wassereinlagerungen durch Cortison und Leber-Funktionseinschränkung), Aufstehen und Treppensteigen sind sehr schwer. Deshalb schläft Regina bereits im Wohnzimmer, um nicht mehr zwischen den Etagen rauf- und runter zu müssen. Sie kann David nicht mehr heben und hat ihn nur für die Mahlzeiten im Arm. Durch die immer höher dosierten Morphin-gaben ist sie auch öfter müde und kann sich schwerer konzentrieren.
17.7. Die nebenstehende Skulptur heißt " Das Ziel ist erreicht" (Luise Kött-Gärtner). Wir sahen sie in einer Kempener Galerie und Regina empfand, daß sie in genialer Weise Vieles ausdrückt, was sie empfand: 
- Angekommen sein 
- Erleichterung
- Freisetzung für das Nächste
- Anbetung
- Dem Höheren entgegenstrecken
- Umarmt werden wollen
- Nicht mehr auf das extrem Steile zurückblicken, weil überwunden

Ich besorgte sie letzte Woche und Regina schrieb noch eine kleine Andacht darüber.

Am 17.7. um 12.30h hat Regina ihr Ziel erreicht. 

Während der Pflege durch Pflegeschwester und Freundin dämmerte sie weg und kurz danach war kein Puls mehr da. Wir verzichteten auf Notarzt und Krankenhaus- aktionen und versuchten, ihrem Wunsch zu entsprechen und sie "in den Himmel zu singen".

Unser erster Trost war ihr entspanntes Gesicht mit einem Hauch von Lächeln.

24.07. Die Beerdigung fand am Montag 24.7. um 14.00h auf dem Friedhof Berliner Allee in Kempen statt. Unser eigener Eindruck und die vielen Rückmeldungen zeigen, daß es eine würdige und von Zuversicht geprägte schöne Feier war, die in dieser Form und Atmosphäre Regina sicher entsprochen hat.
Die Anteilnahme von Verwandten, Freunden aus all den Jahren, ehemaligen Kolleginnen und Bekannten aus Kempen und Umgebung war ausserordentlich. Offenbar gab es außerhalb der Kapelle ebenfalls noch einmal 150 Trauergäste, die jedoch sehr wenig von der Beerdigungsfeier mitbekamen (dafür mußten sie nicht die extreme Hitze innerhalb der Kapelle ertragen).

Für alle, die im Nachhinein noch an den Texten der Feier interessiert sind, habe ich ein pdf-Dokument zusammengestellt.

23.10.2006 In den ersten Tagen nach der Beerdigung habe ich geräumt und geräumt. Eine Woche später hat Christina alle drei Kinder mit zu ihrer Mutter nach Achim genommen - ich war also allein. Zwei Tage davon bin ich ins Haus des Gebets nach Venlo gezogen, denn hier kam ich definitiv nicht zur Ruhe. Dort ist es mir gelungen, zumindest ein wenig unter die Oberfläche zu kommen und meine Gefühle zu sortieren.

Ansonsten war viel mit Organisieren zu erledigen. Insbesondere das Finden einer Tagesmutter gestaltete sich spannend. Aber letztlich fand sich Evie aus Venlo. Sie hat ihr Studium (Sozialarbeit) beendet und suchte eine Überbrückungstätigkeit. Um es direkt zu sagen: Sie ist ein absoluter Glücksgriff! Sie versteht sich mit allen 3 Kindern, sie hat den Haushalt im Griff, denkt und gestaltet mit und strahlt wirklich Liebe zu den Kindern aus. Dazu kommt, daß jetzt Simon und Pia Niederländisch als 2. Fremdsprache in der Schule haben und so mit Evie gut üben können.

Seit Mitte August gehe ich wieder in Kerpen arbeiten. Morgens bringe ich David um halb acht in den Kindergarten, wo er bis nach seinem Mittagsschlaf bleibt, dann von Evie nach Hause geholt wird. Vorher hat sie meist etwas für die Kinder gekocht. Am Anfang hat David erwartungsgemäß an den ersten Keimen des Kindergartens zu knabbern (bis heute noch). 

So langsam hat sich alles eingespielt: David im Kindergarten, David und Evie, Evie in unserm Haus, der Schulalltag der Kinder und meine Arbeit. Und wir erleben, wie Gott tröstet, trägt und versorgt. Hier wäre viel zu berichten. Nach wie vor helfen Freunde in Engpässen, kommen einfach mal zu Besuch, eine bügelt mal den Wäscheberg weg, eine andere nimmt die Näharbeiten mit. Das Miteinander tut wirklich gut. Auch die Kinder finden ihre Ansprechpartner für ihren Kummer und Gefühle, auch wenn sie selten darüber sprechen. Wir versuchen, immer wieder wertvolle Zeit miteinander zu verbringen. Wir waren auf dem Hillsong-Konzert in Arnheim, gehen öfters Sonntags zur Eisdiele etc.

Andererseits sehen die Wochentage relativ "klar strukturiert" aus. Morgens David wegbringen, arbeiten gehen, abends nach Hause, mit David spielen, Abend essen, David ins Bett, aufräumen. Dann ist es etwas halb neun, ich bin oft müde und habe dann erst Zeit für Dinge, die dann noch anstehen. Trotzdem merke ich, wie Gott da ist, weiter inspiriert und seinen Fokus darauf setzt, Zeit nur mit ihm zu haben und immer mehr zu lernen, nur von ihm abhängig zu sein.

 

David beim Dankeskartenschreiben
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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